Stuttgart 21: Neuer Polizeipräsident Züfle:Mission zwischen Bahnhof und Bauzaun

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Einen schwierigeren Job als den Thomas Züfles dürfte die deutsche Polizei momentan kaum zu vergeben haben. Der 55-Jährige ist der neue Stuttgarter Polizeipräsident und hat damit eine der prekärsten Rollen im Streit um Stuttgart 21 inne. Bilder von Schlagstöcken und Wasserwerfern, die sich gegen Rentner und Schüler richten, will er um jeden Preis vermeiden.

Roman Deininger

Der Montag am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs dürfte wie ein Tag nach Thomas Züfles Geschmack begonnen haben. Am Morgen hatten sich 100 Gegner von Stuttgart 21 in die Baustellenzufahrt gesetzt. Die Polizei war prompt am Ort - und ließ die Leute erst mal sitzen. Nach einer Weile forderten die Beamten die Demonstranten auf, das Tor freizumachen; die Aufforderung hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einer Bitte. Noch verblüffender war, dass ihr nach und nach fast alle Blockierer folgten. Acht Personen mussten zuletzt weggetragen werden, ein Vorgang, den Träger wie Getragene wenn schon nicht mit großer Eleganz, so doch mit großer Routine abwickelten.

Thomas Züfle (Foto) übernahm den Posten des Polizeipräsidenten von Siegfried Stumpf. (Foto: dpa)

Man hat das an diesem zunächst friedlichen Montag nur erahnen können - aber einen schwierigeren Job als den Züfles dürfte die deutsche Polizei momentan kaum zu vergeben haben. Der 55-Jährige ist der neue Stuttgarter Polizeipräsident, und um zu ermessen, wie undankbar seine Aufgabe ist, muss man sich nur das Los seines Vorgängers ansehen. Genau wie nun Züfle galt auch Siegfried Stumpf einst als besonnener Polizeichef, als Garant der "Stuttgarter Linie", einer bewährten Einsatzstrategie, die stets geduldig auf Deeskalation setzte. Am 30.September 2010 jedoch knickte die Linie ab. Stumpf entglitt ein Einsatz im Schlossgarten, seine Karriere reduzierte sich auf ein einziges hässliches Bild: auf Schlagstöcke und Wasserwerfer, die sich gegen Rentner und Schüler richteten.

"Schwarzen Donnerstag" nennt man jenen Tag in Baden-Württemberg, und je härter die Fronten werden im Streit um Stuttgart 21, desto größer wird auch die Sorge, er könnte sich wiederholen. Nach den Auseinandersetzungen mit acht verletzten Polizisten vom Montagabend ist diese Furcht nicht kleiner geworden. Nachdem Stumpf, vielleicht ja wirklich aus gesundheitlichen Gründen, in den Ruhestand ging, kehrt jetzt Züfle zurück nach Stuttgart, wo er seine Laufbahn Anfang der siebziger Jahre als Streifenpolizist begann. Der rote Innenminister Reinhold Gall traut ihm zu, das Baurecht der Bahn sanft durchzusetzen - jede Härte würde wohl zum politischen Problem für den grünen Regierungspartner werden, der Stuttgart 21 unbedingt verhindern will. Züfle muss also auch Diplomat sein, und wie jeder gute Diplomat sucht er zuerst mal das Gespräch. Am Bauzaun redete er kürzlich sowohl mit seinen seit fast einem Jahr stark belasteten Beamten als auch mit den Protestierenden. Beiden sagte er: Den Einsatz von Wasserwerfern wolle er mit aller Kraft vermeiden.

Züfle war zuletzt Polizeipräsident in Tübingen, vorher bewältigte er heiklere Aufträge: Nach Erfolgen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität führte er die "Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift" von Zoll und Polizei. Während der Fußball-WM 2006 ließ er als Einsatzleiter am Stuttgarter Schlossplatz 500 englische Hooligans festnehmen, bevor sie den Abbruch des Schlosses nennenswert vorantreiben konnten. Im Landesinnenministerium arbeitete er zum islamistischen Terrorismus, in Kabul half er beim Aufbau der afghanischen Polizei. Wahrscheinlich erinnert er deshalb oft daran, dass es in Stuttgart "nur" um einen Bahnhof geht.

© SZ vom 21.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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