Süddeutsche Zeitung

Stuttgart 21:Mappus gegen Referenden bei Großprojekten

Ministerpräsident Mappus spricht sich gegen mehr direkte Demokratie in Deutschland aus - und fordert, Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren bei Großprojekten zu straffen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) lehnt die Einführung von mehr Elementen direkter Demokratie in Deutschland als Konsequenz aus den Protesten gegen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 und die Castor-Transporte nach Gorleben ab.

Volksentscheide würden "keinen höheren Grad an demokratischer Legitimation als parlamentarische Entscheidungen beinhalten", schrieb Mappus in einem Beitrag für das Hamburger Abendblatt. Es sei zu bezweifeln, dass ein Volksentscheid tatsächlich mehr zur Beruhigung der Gemüter beigetragen hätte, als wenn die Diskussion von Volksvertretern ausgetragen werde.

Bei Volksentscheiden wie auch bei parlamentarischen Entscheidungen habe sich die Minderheit dem Willen der Mehrheit unterzuordnen, argumentiert Mappus. Der CDU-Politiker sieht vor dem Hintergrund von Stuttgart 21 auch die Schlichtung nicht als Modell für zukünftige Lösungswege bei umstrittenen Großprojekten.

"Die Schlichtungsgespräche mit Heiner Geißler können zwar Versäumtes nachholen und die Akzeptanz von Stuttgart 21 weiter wachsen lassen", sagte der Regierungschef. Eine nachträgliche Schlichtung sei aber kein Königsweg für zukünftige Großprojekte. Stattdessen müssen laut Mappus die Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren bei Großprojekten "noch straffer und von Beginn an transparenter ausgestaltet werden". Rückendeckung erhielt Mappus vom Sprecher des Bahnprojekts, Udo Andriof. Entscheidungen über wichtige Infrastrukturvorhaben dürften nicht von der Stärke der Proteste abhängig gemacht werden, sagte Andriof bei einer Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags in Berlin. "Die Bürger wurden im Planungsverfahren durchaus beteiligt", betonte er. Das Milliardenprojekt sei rechtlich und politisch legitimiert, seine Finanzierung vertretbar, sagte Andriof.

Bahn-Vorstand Volker Kefer verteidigte ebenfalls das Großprojekt aus Bahnhofsumbau und Neubaustrecke, das nach bisherigen Berechnungen insgesamt sieben Milliarden Euro kosten soll. Die Investitionssumme für die beiden Jahrhundertprojekte werde sich "in 20 bis längstens 50 Jahren" amortisieren, betonte Kefer in seiner Stellungnahme. Derweil meldet die Stuttgarter Zeitung, dass sich das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart-Ulm nur rechne, wenn der bisher schrumpfende Güterverkehr auf dieser Strecke stark anwächst. Das zeige die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Bundes, die dem Blatt vorliegt.

Der von der SPD-Fraktion geladene Experte Christian Böttger zog vor dem Ausschuss ebenfalls die Wirtschaftlichkeit der geplanten Neubaustrecke Stuttgart-Ulm in Zweifel. Der von den Grünen geladene Sachverständige Karlheinz Rößler sprach sich gegen das umstrittene Bahnprojekt aus. Der Kopfbahnhof sei keineswegs veraltet und leistungsfähiger als der geplante Durchgangsbahnhof, sagte er. In seiner schriftlichen Stellungnahme hieß es, die Baukosten beider Projekte könnten sich auf bis zu 15 Milliarden Euro belaufen. SPD, Linke und Grüne fordern in drei Anträgen einen sofortigen Baustopp.

Am Donnerstag will Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in Berlin den neuen "Bedarfsplan Schiene" vorstellen. Darin werden die Wirtschaftlichkeit und die Machbarkeit der etwa 60 Neubauprojekte des Bundes neu bewertet. Als brisant gilt die Kalkulation für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, dessen Notwendigkeit viele Kritiker wegen der hohen Kosten bezweifeln.

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