Stuttgart-21-Kundgebungen:Showdown in Schwaben City

Am Schlichtungstisch nähern sich die zerstrittenen Lager mühsam an - doch auf den Straßen Stuttgarts könnte es am Samstag zum Eklat kommen. Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 planen zeitgleich Kundgebungen.

Lange sind sich Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 demonstrativ, im wahrsten Sinne des Wortes, aus dem Weg gegangen. Doch nachdem nun bereits erste Schlichtungsgespräche geführt und vorsichtige Annäherungen am Bauzaun unternommen wurden, scheinen die Lager bereit für die offene Konfrontation auf den Straßen Stuttgarts: Am kommenden Samstag (23. Oktober) wollen zeitgleich Befürworter und Gegner des umstrittenen Bauvorhabens in Bahnhofsnähe Kundgebungen abhalten.

Stuttgart 21 - Rangeleien bei Montagsdemo

Protest kennt keine Altersgrenze: Gegen Stuttgart 21 demonstrieren regelmäßig Schüler und Studenten - genauso wie Senioren.

(Foto: dpa)

Nach einem Lauf "für Stuttgart 21" sollen am Nachmittag auf dem Schlossplatz Bahnchef Rüdiger Grube, Landesverkehrsministerin Tanja Gönner, der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel (beide CDU), der vormalige Stuttgart-21-Sprecher und Vize-Landtagspräsident Wolfgang Drexler (SPD) sowie FDP-Fraktionschef Hans Ulrich Rülke sprechen. Dies kündigte das Bündnis der Befürworter an.

Das Aktionsbündnis der Stuttgart-21-Gegner wollte sich am Mittwoch vom Stuttgarter Ordnungsamt eine Kundgebung vor dem Bahnhof auf dem Arnulf-Klett-Platz und auf der Schillerstaße genehmigen lassen. Notfalls wolle man bis vor das Verwaltungsgericht ziehen, kündigten Bündnissprecher Gangolf Stocker und Organisator Rainer Benz an. Auf eine Demonstration am Samstag wollen die Gegner verzichten.

Auf der Kundgebung der Projektgegner um 15 Uhr sollen der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi, BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß und der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, auftreten.

Die "Initiativen für Stuttgart 21" planen auch für Donnerstag einen Befürworterlauf und im Anschluss zum zweiten Mal Gespräche mit Gegnern am Bauzaun. Gerade zu Beginn der Schlichtungsgespräche wollten die Befürworter ihre Bereitschaft zeigen, auf die Gegner zuzugehen, sagte der Initiator der Aktion, Matthias Kauffmann.

Am vergangenen Donnerstag hatten Veranstalterangaben zufolge 400 Personen friedlich am Bauzaun über das umstrittene Bahnprojekt diskutiert.

Das Aktionsbündnis der Gegner fühlt sich von den Organisatoren der Projektbefürworter nicht verdrängt. "Es ist aber befremdlich, dass sie uns kopieren", sagte Benz. Er habe keine Zweifel daran, dass die Veranstaltungen friedlich ablaufen. Einen Aufruf, Aktionen wie die Südflügelbesetzung am vergangenen Samstag zu unterlassen, werde es nicht geben. Die jüngste Besetzung kommentierte Benz mit den Worten: "Wir würden das nicht machen, weil wir es zu diesem Zeitpunkt ziemlich doof finden." Das Aktionsbündnis werde wie immer deeskalierend auftreten.

Derweil kündigte die FDP-Landtagsfraktion ihre Unterstützung für die am Freitag beginnenden Schlichtungsgespräche an. "Wir stehen voll und ganz hinter Stuttgart 21. Wir bitten jedoch Herrn Geißler, auf die Deutsche Bahn AG einzuwirken, sich im Rahmen des Vermittlungsverfahrens erneut auch zu anderen dringend notwendigen Schienenprojekten in Baden-Württemberg zu bekennen", sagte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nach einem Informationsbesuch von Schlichter Heiner Geißler. Es müsse immer wieder deutlich gemacht werden, dass durch die Verwirklichung von Stuttgart 21 kein dringendes Vorhaben in Baden-Württemberg ins Hintertreffen gerate.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wandte sich unterdessen gegen die Vorstellung, ein Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg würde das Projekt beenden. "Ich prophezeie: Wenn die Grünen politisch mitentscheiden könnten, würden auch sie mit Stuttgart 21 weitermachen. Genauso wie früher: Da haben sie auch oft genug erst Nein gesagt, und dann ging es nicht anders", sagte er der Wochenzeitung Die Zeit.

Er habe "keine Legitimation", das Neubauprojekt zu stoppen, denn sein Vorgänger habe rechtskräftige Verträge unterschrieben und daran sei er gebunden, sagte Raumsauer. Ein Ausstieg aus diesen Verpflichtungen würde "richtig teuer".

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Reinhard Löffler, hielt den Grünen vor, sich in einer Arbeitsgruppe 1995 für eine Version von "Stuttgart 21" eingesetzt zu haben, die mit der heutigen Planung identisch sei.

Die Arbeitsgruppe um den heutigen Verkehrsauschussvorsitzenden im Bundestag, Winfried Hermann, und dem heutigen Bundestagsfraktionsvize Fritz Kuhn habe eine Untertunnelung des Stuttgarter Hauptbahnhofs mit vier Gleisen und einen Tunnel entlang der heutigen Strecke vorgeschlagen und deren Wirtschaftlichkeit betont. In einer im Stuttgarter Gemeinderat eingebrachten Resolution sei die Bahn aufgefordert worden "sich unverzüglich und unmissverständlich auf eine Unterfahrung des Stuttgarter Hauptbahnhofs für den Personenschnellverkehr" festzulegen, heiße es darin.

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