Stuttgart-21-Gegner Rockenbauch:"Geißler hat sich unfair verhalten"

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Er ging Heiner Geißler gehörig auf die Nerven: Hannes Rockenbauch, Galionsfigur der S21-Gegner, fühlte sich bei der Stresstest-Präsentation vom Schlichter unfair behandelt. Was der Stuttgarter Stadtrat von Geißlers Idee eines Kombi-Bahnhofs hält, warum K21 für ihn das Maß der Dinge bleibt - und weshalb der Konflikt erneut eskalieren könnte.

Michael König

Während der Schlichtungsrunden im Herbst 2010 war er der junge Mann im T-Shirt, umgeben von Anzugträgern. Er saß zu dem Zeitpunkt schon seit sechs Jahren für das Bündnis SÖS (Stuttgart - ökologisch - sozial) im Stuttgarter Stadtrat, doch erst seine Wortgefechte mit Schlichter Heiner Geißler und Bahn-Technikvorstand Volker Kefer machten ihn bundesweit bekannt. Mittlerweile ist Rockenbauch, 1980 in Stuttgart geboren, einer der Wortführer des Aktionsbündnisses gegen den Tiefbahnhof S21.

Hannes Rockenbauch ist Stadtrat in Stuttgart. Der Protest gegen S21 hat ihn bundesweit bekannt gemacht. (Foto: dapd)

sueddeutsche.de: Herr Rockenbauch, bei der Stresstest-Präsentation am vergangenen Freitag standen Sie schon mit einem Bein in der Tür, als Schlichter Heiner Geißler Sie mit seinem Kompromissvorschlag zurück lockte. Jetzt, da Sie das Papier gelesen haben: Was halten Sie davon?

Hannes Rockenbauch: Wir haben noch keine endgültige Position in der Frage. Wir nehmen uns richtig Zeit, wir prüfen das in Ruhe. Was man aber schon jetzt sagen kann: Es ist gut, dass der Vorschlag kam. Geißler nimmt damit Abstand von S21 plus und räumt ein, dass der Tiefbahnhof die Demokratie beschädigen würde. Hinzu kommt das Fachurteil seiner Co-Autoren von der Firma SMA. Das ist schon faszinierend, dass der Schlichter und die Stresstest-Experten gemeinsam diesen Misstrauensbeweis ausstellen.

sueddeutsche.de: Die S21-Befürworter verweisen auf das Planfeststellungverfahren 2005. Damals wurde der Kombi-Bahnhof abgelehnt.

Rockenbauch: Das ist die typische Vorgehensweise der Pro-Fraktion. Da werden alte Papiere hervorgeholt, bei denen davon auszugehen ist, dass nie objektiv geprüft wurde. Dabei liegen ein paar Vorteile der Kompromisslösung schon auf der Hand: Die Cannstatter Brücke und die Unterquerung des Neckars wären nicht nötig. Auch würden die Tunnelbauten weniger groß ausfallen.

sueddeutsche.de: Wären Sie bereit, für den Kombi-Bahnhof auf die Straße zu gehen?

Rockenbauch: Ich erwarte nicht, dass wir zu begeisterten Kombi-Befürwortern werden. Für uns ist und bleibt der modernisierte Kopfbahnhof das Ziel. Das ist die optimale Lösung. Der Stresstest hat ja gezeigt, dass das Problem eher bei den Zulaufstrecken liegt, die es zu verbessern gilt. Aber wir prüfen, ob der Kompromissvorschlag ein gangbarer Weg ist. Das tut im Übrigen auch die Landesregierung.

sueddeutsche.de: Die SPD hat deutlich gemacht, dass sie der Kombi-Version nicht zustimmen will.

Rockenbauch: Die Politik muss sich auf neue Situationen einstellen können. Sonst hat sie bald ein Vermittlungsproblem.

sueddeutsche.de: Auch Ihre Linie war bislang nicht von Flexibilität geprägt. Bei der Stresstest-Präsentation sind Sie durch viele Zwischenrufe aufgefallen. In den Augen einiger Beobachter haben Sie Geißler dazu verleitet, vom "totalen Krieg" zu sprechen. War das Absicht?

Rockenbauch: Nein, für seinen Fehltritt ist Heiner Geißler selbst verantwortlich, aber die Situation war von Beginn an absurd. Der Moderator hat nicht mehr moderiert, er war parteiisch. Wir wurden unterbrochen, die Befürworter durften ausreden. Und am Ende war Geißler kurz davor, dem Bahnhof ein Premium-Etikett zu verpassen, das ihm die Gutachter eindeutig abgesprochen hatten. Es war einfach nicht fair.

Tief- und Kombi-Bahnhof im Überblick: Klicken Sie auf das Bild, um die komplette Grafik zu sehen. (Foto: SZ-Grafik)

sueddeutsche.de: Die Bahn will nun endlich bauen, neue Arbeiten im Schlossgarten stehen angeblich kurz bevor. Wie werden sich die Gegner verhalten?

Rockenbauch: Bahn und Landesregierung haben es jetzt in der Hand. Was wir jetzt brauchen, ist Zeit zum Nachdenken. Da hilft die alte Blockadehaltung nicht, sondern allein ein Bau- und Vergabestopp. Sonst wird der Konflikt erneut eskalieren, das ist völlig klar. Unser Protest hat mit viel Kraft und Kreativität im vergangenen Sommer gezeigt, dass es nicht möglich ist, ein Projekt gegen den Willen der Menschen durchzusetzen.

sueddeutsche.de: Sie spielen auf dem 30. September an. Damals gab es im Schlossgarten Verletzte.

Rockenbauch: Es ist nicht unsere Entscheidung, welche Einsatzbefehle die Polizei bekommt. Wir kommen nicht mit Knüppeln und Wasserwerfern. Unser Widerstand ist friedlich.

sueddeutsche.de: Am Ende könnten Sie der Landesregierung schaden, die Sie selbst ins Amt befördert haben.

Rockenbauch: Nur weil wir jetzt einen Ministerpräsidenten haben, der auf anderen Feldern hervorragende Politik macht, hören wir wir jetzt doch nicht auf, für K21 zu sein.

sueddeutsche.de: Wann ist der Punkt erreicht, an dem die Gegner aufgeben?

Rockenbauch: Es wird sich zeigen, ob die Massen noch demonstrieren werden, wenn die Bäume weg sind und die Maschinen in den Tunneln stehen. Aber noch steht der Südflügel, noch wachsen die Bäume. Es lohnt sich also, für eine bessere Zukunft einzustehen.

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