Vor einigen Tagen hat Wolfgang Dietrich seinen Abschied als Sprecher der Projekts Stuttgart 21 angekündigt. Er weinte dabei. Der 66-jährige Unternehmer, Gründer einer Software-Firma, hatte den Job vor vier Jahren auf Bitten seines Freundes Rüdiger Grube übernommen. Der Bahn-Chef wollte eine vernünftige Kommunikation zwischen Bahn und Öffentlichkeit ermöglichen.
Als Dietrich nun, nach kurzer Einleitung, das Wort "Erfahrungen" aussprach, versagte ihm die Stimme. Tränen traten in seine Augen. Nach längerer Pause fuhr er fort, viele dieser "Erfahrungen" hätte er lieber nicht gemacht: die Anfeindungen, den Personenschutz, die Verschwörungstheorien. Er vergieße seine Tränen auch im Namen der vielen Mitarbeiter des Projekts, ob Ingenieure oder Arbeiter, die schlecht behandelt worden seien von Medien und Projektgegnern. Nun aber könne er getrost Abschied nehmen. Stuttgart 21 sei auf einem guten Weg, der Widerstand nicht mehr größer als bei vergleichbaren Infrastrukturprojekten.
Das war natürlich gelogen. Hätte Wolfgang Dietrich recht, dann läge ganz Deutschland im Krieg mit sich selbst.
Lebensgefahr durch zu hohe Gleisneigung
Die Attacken jedenfalls hören nicht auf. So bemängelte ein Gutachten im Auftrag des Umweltverbandes BUND erst in dieser Woche, die Gleisneigung im geplanten Tiefbahnhof sei zu hoch, es bestehe die Gefahr, dass Züge wegrollten und Menschen schwer verletzten. Die Genehmigung verstoße zudem gegen EU-Recht. Also wieder neue Gründe, den Stop des gesamten Projekts zu fordern.
Derweil endete die öffentliche Erörterung zur geplanten Anbindung von S21 an den Flughafen Stuttgart. Sie ist Murks, diese Trasse, obwohl sie mehr als 700 Millionen Euro kostet, das wurde selbst Laien schnell klar. Doch alle Projektpartner hüten sich, für eine großzügige Lösung noch mehr Geld zu investieren. Dieses Fass will keiner mehr aufmachen, weder die grün dominierte Stadt noch das grün-rot regierte Land.
Kampf um die Emails
Es könnte ja das alte Gespenst herauskommen. Das Schlossgartengespenst der totalen Konfrontation: Im Amtssitz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann spukt es derzeit in Gestalt alter Mails herum. Mails von Stefan Mappus, die dieser als Kretschmanns Vorgänger zwar gelöscht hatte, die aber auf externe Server kopiert worden waren.
Das Verwaltungsgericht Mannheim hat Anfang September verfügt, sie seien zu löschen und in Kopie dem Landesarchiv zu übergeben; doch kurz vor dem geplanten Löschungstermin forderte der Untersuchungsausschuss Schlossgarten mit seiner rot-grünen Mehrheit die Daten an. Der Ausschuss, schon der zweite in der Sache, soll aufklären, wie der berüchtigte Polizeieinsatz zur Räumung des Baugeländes am 30. September 2010 derart eskalieren konnte.
130 verletzte Demonstranten, 34 verletzte Polizisten. Ein Mann verlor sein Augenlicht im Wasserwerferstrahl. Hatte Mappus den Befehl gegeben, an jenem Tag mit aller Gewalt vorzugehen? Der Ausschuss erhoffte sich Erhellendes aus den Mails jener Tage.