Sturm auf britische Botschaft in Iran:Paria aus Tradition

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Geschichte wiederholt sich. Schon einmal wurde in Iran eine Botschaft erstürmt: Im November 1979 drangen Anhänger Chomeinis in die US-Vertretung ein. Teheran hat dafür einen teuren Preis bezahlt: Das zerstörte Verhältnis zu Washington konnte nie mehr repariert werden. Dabei haben Verstöße gegen diplomatische Spielregeln in Persien eine viel längere Geschichte.

Rudolph Chimelli

Die Verletzung der Unantastbarkeit diplomatischer Missionen, ohne an die Folgen zu denken, ist ein altes Übel in der iranisch-persischen Geschichte. Die Islamische Republik war noch nicht ein Jahr alt, als sich im November 1979 ihre internationalen Beziehungen über Nacht katastrophal verschlechterten: Studenten, die sich auf Ayatollah Ruhollah Chomeini beriefen, stürmten die US-Botschaft in Teheran, setzten 52 Diplomaten gefangen und führten sie mit verbundenen Augen als "Spione" vor.

Nach dem Schock der islamischen Revolution hatte Washington gerade erst erkannt, dass die neuen Herren Irans bei der Unterdrückung der von Moskau unterstützten Kommunisten noch effizienter waren als ihr alter Schützling, der Schah. Daraus entstand ein gewisser modus vivendi. Doch der war mit der Botschaftsbesetzung mit einem Schlag beendet.

Iran hat dafür letztlich am teuersten bezahlt. In den vergangenen 31 Jahren konnte das zerstörte Verhältnis zu den USA nie mehr repariert werden. Ein großer Teil der Welt, vor allem ihr westlicher Teil, sympathisierte mit Amerika. Der irakische Diktator Saddam Hussein konnte Iran bald danach angreifen, ohne dass er vor den UN-Sicherheitsrat zitiert wurde. Saddam erhielt Kredite, Waffen und Informationen über die militärische Lage der Gegners, während die Iraner als Parias geächtet waren.

Der achtjährige Krieg kostete Iran eine halbe Million Tote und materielle Schäden von mehr als 100 Milliarden Dollar. Auch fast alle anderen Schwierigkeiten, in die das Land seither geriet - diplomatische Isolierung, Sanktionen, Embargos - gehen letztlich auf die Botschaftsbesetzung zurück. Im Inneren hatte sich der radikale Flügel des Regimes mit dem Piratenakt gegen die Gemäßigten dauerhaft durchgesetzt. Aus Protest trat der erste Ministerpräsident des Revolutionsregimes, der bürgerliche Nationalist Mehdi Basargan, alsbald zurück.

Die Geschichte der diplomatischen Katastrophen beginnt vor 750 Jahren

Kaum jemand weiß, dass die persische Nation schon 750 Jahre zuvor eine noch größere Katastrophe erlitt - gleichfalls durch krasse Verletzung der diplomatischen Gepflogenheiten. Einer der historischen Vorgänger des heutigen iranischen Staates war das ausgedehnte Reich des Chwaresm-Schahs Ala-ud-Din Mohammed. Er herrschte über Afghanistan sowie große Teile Persiens, Iraks und angrenzende Gebiete und war zu Beginn des 13. Jahrhunderts Nachbar des aufsteigenden Mongolenfürsten Dschingis-Khan geworden.

Dschingis-Khan ließ dem Schah, mutmaßlich im Jahre 1218, eine Botschaft überbringen, in der er ihm die Teilung der Welt vorschlug. "Ich bin der Beherrscher der aufgehenden Sonne, du bist der Beherrscher des Sonnenuntergangs", so hieß es sinngemäß in dem Schreiben, das ein Gesandter des Mongolen überbringen sollte. "Lass uns einen festen Vertrag der Freundschaft und des Friedens schließen. Händler und Karawanen sollen kommen und gehen. Kostbarkeiten und Güter des Alltags, die es in meinem Gebiet gibt, sollen in dein Gebiet gebracht werden, und solche aus deinem Reich in meines."

Das Bündnisangebot war von märchenhaften Geschenken begleitet. Der zeitgenössische persische Historiker Minhadsch al-Siradsch Dschusdschani, der am Hof des Sultanats von Delhi lebte, zählt 500 Kamele auf, beladen mit Gold, Silber, Seide, Pelzen und anderen Seltenheiten. Ein Goldklumpen "so dick wie der Hals eines Kamels" soll das Glanzstück gewesen sein. In der Grenzstadt Utrar ließ der habgierige Gouverneur des Schahs den Gesandten und seine Begleiter jedoch als Spione hinrichten, damit niemand von seinem Raub erfahren sollte. Ein junger Kameltreiber, der gerade ein Dampfbad nahm, entkam aber heimlich durch den Kamin und erstattete Bericht an Dschingis Khan.

Ergrimmt schickte der Mongolen-Herrscher einen zweiten Botschafter zum Chwaresm-Schah, durch den er die Auslieferung des Gouverneurs verlangte. Doch auch dieser Sendbote wurde hingerichtet, diesmal auf persönlichen Befehl des Schahs. Dschingis-Khan, so ist übermittelt, habe geschworen, in Reich des Schahs solle kein Stein auf dem anderen bleiben. Eine Armee von 200.000 Mann brach im Februar 1220 auf. Der Khan selber führte eine Kolonne nach Buchara, das bald fiel, ebenso Samarkand, Utrar, das an der sagenhaften Seidenstraße in der Nähe von Karatau im heutigen Kasachstan liegt, sowie die anderen wichtigen Städte.

Ein großer Teil der Bevölkerung wurde abgeschlachtet, Handwerker und viele Frauen verschleppt. In Urgentsch, der zeitweiligen Hauptstadt des Schahs, sollen nach Darstellung eines arabischen Geschichtsschreibers 25.000 Mongolen den Befehl erhalten haben, je 24 Menschen zu köpfen. Erst Dschingis-Khans Enkel Hulagu eroberte 1258 die Millionen-Stadt Bagdad, brannte sie nieder und ließ den letzten Abbasiden-Kalifen hinrichten. Zwei Jahre später fielen Aleppo und Damaskus. Es war das Ende des islamischen Weltreichs.

© SZ vom 01.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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