In Deutschland ist fast jeder dritte Studierende von Armut betroffen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands, die am Dienstag vorgestellt wurde und sich auf Daten des Jahres 2019 bezieht. Die Armutsquote unter Studierenden beträgt demnach 30 Prozent - und ist damit fast doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung, wo sie bei 16,8 Prozent liegt. Allerdings liegt diesen Zahlen eine sehr breite Definition von Armut zugrunde. Arm ist dem Verständnis des Paritätischen Gesamtverbands nach, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss, also mit weniger als 1266 Euro im Monat. Die Bundesregierung oder auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sprechen unterhalb dieser Schwelle dagegen noch nicht von Armut, sondern von einem Armutsrisiko.
Die finanzielle Lage der Studierenden hat sich der Untersuchung zufolge seit 2019 sogar noch verschlechtert. Das liege erstens daran, dass infolge der Corona-Pandemie viele klassische Studentenjobs weggefallen sind, zum Beispiel in der Gastronomie. Zweitens habe sich das Leben für viele Studierende verteuert, weil sie während der Hochschulschließungen nicht nur von der Präsenzlehre abgeschnitten waren, sondern auch "vom dortigen Subsystem mit geringen Preisen", also zum Beispiel dem Essen in der Mensa. Und drittens sind Studierende, wie andere einkommensschwache Menschen auch, besonders von den steigenden Preisen betroffen. Die Inflation betrug zuletzt mehr als sieben Prozent.
Besonders angespannt ist die Situation von Studierenden, die alleine leben. Fast 80 Prozent von ihnen liegen der Untersuchung zufolge unterhalb der Armutsgrenze. Auch Bafög-Empfänger sind besonders betroffen, die Quote ist bei ihnen mit etwa 45 Prozent deutlich größer als bei Studierenden, die kein Bafög beziehen (29 Prozent). Die Studienautoren dringen deshalb darauf, die Förderung deutlich zu erhöhen.
Das Bafög wird von der Inflation locker überholt
Die Bundesregierung hatte erst Anfang April den ersten Schritt einer umfassenden Bafög-Reform beschlossen. Allerdings lag der Schwerpunkt der Novelle von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nicht auf einer höheren Förderung, sondern darauf, nach Jahren des Rückgangs den Kreis der Empfänger zu vergrößern. Zu diesem Zweck wurden unter anderem die Freibeträge der Eltern deutlich erhöht und die Altersgrenze nach oben gesetzt. Für ihren Grundbedarf und ihre Wohnung erhalten Studierende dagegen nur geringfügig mehr. Die Bedarfssätze stiegen lediglich um fünf Prozent - weniger also als die aktuelle Inflationsrate. Das hatte auch das Deutsche Studentenwerk kritisiert.
An diesem Mittwoch soll das Kabinett die nächste Änderung des Bafög beschließen. Als Lehre aus der Corona-Krise soll ein sogenannter Notfallmechanismus eingeführt werden. Im Fall einer neuerlichen Krise "mit erheblichen negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten", so steht es im Gesetzesentwurf, soll das Bafög auch Studierenden und Schülern offenstehen, die die Voraussetzungen für eine Förderung eigentlich nicht erfüllen. Auch diese Änderung zielt also nicht auf eine höhere Förderung ab, sondern auf einen größeren Empfängerkreis in der Krise.