Studien:Das verwirrende Risiko

Die Krebsforschungsagentur der WHO hält das Herbizid Glyphosat für "wahrscheinlich krebserregend". Das Bundesinstitut für Risikobewertung kommt zu einer gegenteiligen Einschätzung. Wie passt das zusammen?

Von Kathrin Zinkant

Der Tag, an dem wohl die meisten Menschen in der Debatte um Glyphosat den Anschluss verloren haben, war der 20. März 2015. An jenem Freitag gab die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, IARC, bekannt, das Herbizid Glyphosat sei "wahrscheinlich krebserregend". Die Mitglieder des Komitees hatten aus den mehr als tausend Studien zur Toxikologie des Unkrautvernichters die nach ihrer Ansicht aussagekräftigsten für ihre Gefahreneinschätzung ausgewählt - und kamen damit scheinbar zu einer genau gegenteiligen Bewertung wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung.

Das hatte zuvor festgestellt, Glyphosat erhöhe das Krebsrisiko nicht. Das BfR hatte die Bewertung stellvertretend für die Europäische Lebensmittelaufsicht Efsa vorgenommen und seinerseits Studien für die Analyse ausgewählt, allerdings andere als die IARC. So hatte man Untersuchungen an Labortieren, die extrem hohen Dosierungen von Glyphosat ausgesetzt wurden, für die Risikobewertung beim Menschen ausgeklammert. Umweltverbände und grüne Politiker werfen dem BfR diese Auslassung seither vor.

Daran hat auch Tatsache nichts geändert, das IARC und BfR verschiedene Fragen zu beantworten versuchten: Die Krebsforschungsagentur beurteilt die grundsätzlich mögliche Gefahr, die von einem Stoff oder Lebensmittel ausgeht. Wie Glyphosat wird daher auch rotes Fleisch als "wahrscheinlich krebserregend" bewertet. Risikobewertungen, wie sie das BfR vornimmt, schätzen das Risiko dagegen unter realen Bedingungen ein.

Das BfR steht mit seiner Risikobewertung inzwischen nicht mehr alleine da: 2016 kam auch das Komitee für Pestizidrückstände der WHO, JMPR genannt, zu dem Ergebnis, Glyphosat erhöhe das Krebsrisiko nicht. Diesem Urteil schloss sich in diesem Jahr die europäische Chemikalienagentur Echa an.

Fachkundige Wissenschaftler bestätigen die Einschätzungen zum Risiko und sehen darin auch keinen Widerspruch zur Gefahrenbewertung durch die IARC. Dennoch werden die Risikobewertungen oft als strittig dargestellt oder als widersprüchlich zum Votum der Krebsforschungsagentur. Erst kürzlich hat jedoch eine große Untersuchung aus den USA erneut belegt, dass kein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Glyphosat feststellbar sei.

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