Studie zur Beliebtheit der Deutschen:Bewundert in der Krise

Nur noch jeder dritte EU-Bürger glaubt, die ökonomische Integration sei ein Segen für seine Heimat. Doch während Deutschland dem Kontinent ein hartes Spardiktat aufzwingt und bei den Griechen unbeliebter denn je ist, zeigt eine Umfrage Überraschendes.

Christian Wernicke

Der Kontinent zerfällt, aber das Land in seiner Mitte steht stolz über den Trümmern. "Deutschland ist die meistbewunderte Nation in der EU", lautet ein Fazit einer umfangreichen Studie des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center zur Stimmung in Europa. Die Deutschen werden von ihren Nachbarn als "hartarbeitend" und "am wenigsten korrupt" geschätzt, und Kanzlerin Angela Merkel gelte "weithin als erfolgreichste nationale Führungsperson in Europas wirtschaftlicher Krise". Anti-deutsche Gefühle, so die Analyse der renommierten Sozialforscher, blieben "auf Griechenland beschränkt - bisher jedenfalls".

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Aufwärts geht es mit Europa nur in Deutschland: "Sommermärchen", WM 2006

(Foto: ag.ddp)

Europa versinkt derweil in einer tiefen Vertrauenskrise. Nur noch jeder dritte EU-Bürger (34 Prozent) glaubt, Europas ökonomische Integration sei ein Segen für seine Heimat. In sechs von acht Ländern, in denen Pew jeweils 1000 Bürger befragte, hat sich die Überzeugung festgesetzt, Europa schwäche die eigene Nation: So sehen es die Griechen (70 Prozent), Franzosen (63 Prozent), Briten und Italiener (jeweils 61 Prozent) sowie Tschechen (59 Prozent) und Spanier (50 Prozent). Nur die Deutschen glauben, ihr Land habe von Europa profitiert (59 Prozent), ansonsten ziehen nur noch die Polen eine positive EU-Bilanz: 48 Prozent sehen wirtschaftliche Vorteile.

Die Wirtschaftskrise zerrüttet den Glauben an Europa. Nur die Deutschen wähnen ihr Land in guter wirtschaftlicher Verfassung (73 Prozent), alle anderen Völker sind pessimistisch: Mehr als vier von fünf Franzosen, Tschechen und Briten und sogar mehr als neun von zehn Italienern, Spaniern und Griechen (98 Prozent) sehen ihr Land in schlechter Wirtschaftslage.

EU-Sanierungskonzepte stoßen auf Widerstand

Als Schuldige machen alle Europäer ihre nationale Regierung sowie die Banken aus - also nicht Brüssel. Doch trauen die Bürger dem organisierten Europa nicht zu, sie aus der kontinentalen Misere zu führen. Ihre gemeinsame Münze wollen zwar alle fünf befragten Euro-Völker behalten. Aber die EU-Sanierungskonzepte - Sparpakete und Rettungsfonds - stoßen auf Widerstand: Fast alle Völker glauben, man habe längst genug oder zu viel gespart, und allen voran Briten und Franzosen lehnen Hilfstransfers in den Süden ab.

Auch die Antwort der EU-Staats- und Regierungschefs, nun mit "mehr Europa" per Fiskalunion voranzugehen, verfängt nicht: Nur die Italiener befürworten, der EU mehr Macht über nationale Defizite und Schuldenberge zu übertragen - alle anderen Nationen lehnen mehr Kontrolle durch Brüssel ab.

Die Bundesbürger sind ihren Nachbarn ähnlicher geworden

Die Pew-Daten zeigen: Insbesondere Bürger, die glauben, die EU würde ihrem Land mehr schaden als nützen, lehnen mehr innereuropäische Solidarität ab - was wiederum die Krise verschärfen dürfte. Europa drohe "eine gefährliche Abwärtsspirale", warnt Bruce Stokes, einer der Autoren der Pew-Studie.

Aufwärts geht es mit Europa nur in Deutschland. Nirgendwo sonst bekunden so viele Menschen (65 Prozent), die EU sei "eine gute Sache". Auch sind die Bundesbürger ihren Nachbarn ähnlicher geworden: Wie die anderen Europäer sehen sie in Arbeitslosigkeit und Schulden die größten Gefahren, nur 56 Prozent fürchten steigende Preise. Das Trauma der Hyperinflation anno 1923 scheint überwunden.

Eine knappe Mehrheit der Deutschen (49 zu 48 Prozent) befürwortet sogar Hilfstransfers an notleidende EU-Partner. Das heißt: Die Deutschen denken europäischer als ihre Partner - und niemand genießt in Europa so hohen Respekt wie sie.

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