Studie zu Belastungsstörungen:Deutsche Soldaten psychisch vorbelastet

Bundeswehr-Soldaten starten in den Türkei-Einsatz

Bundeswehrsoldaten starten zu einem Auslandseinsatz

(Foto: dpa)

Jeder Fünfte, den die Bundeswehr zum Auslandseinsatz schickt, leidet unter Störungen wie Depressionen. Dies zeigt eine vom Bundestag veranlasste Studie. Demnach bleiben die psychischen Erkrankungen oft unerkannt - auch weil Soldaten Stigmatisierung fürchten. Der Wehrbeauftragte Königshaus fordert Konsequenzen.

Von Christoph Hickmann, Berlin, und Cornelius Pollmer, Dresden

Jeder fünfte deutsche Soldat geht mit einer psychischen Störung in den Auslandseinsatz. Dies belegt eine Studie zum Thema Belastungsstörungen der Technischen Universität Dresden, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach handelt es sich um "manifeste, aber zumeist nicht erkannte" Störungen.

Die Studie geht auf einen 2008 gefassten Beschluss des Bundestages zurück. Der Fokus der Untersuchung sollte auf nicht diagnostizierten Fällen sogenannter posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) und sonstigen psychischen Erkrankungen durch Auslandseinsätze liegen.

Solche Störungen bleiben häufig unerkannt, auch weil Soldaten Stigmatisierung und Karrierenachteile befürchten. In einem bereits 2012 vorgestellten ersten Teil der Studie, die auch vom Psychotraumazentrum der Bundeswehr in Berlin getragen wird, wurden mehr als 2500 Bundeswehrsoldaten mit und ohne Auslandseinsatz vertraulich untersucht.

Für die Längsschnittanalyse wurden in einem zweiten Teil bislang 621 Soldaten der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf untersucht - jeder von ihnen unmittelbar vor seinem Einsatz in Afghanistan und im Durchschnitt ein Jahr nach der Rückkehr. Die Untersuchung von Hans-Ulrich Wittchen, dem Leiter des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Dresden, wird an diesem Dienstag als sogenannte Dunkelzifferstudie vorgestellt.

Vier- bis sechsfach höheres Risiko

Eine zentrale Erkenntnis beider Teile der Studie ist "der herausragende Stellenwert psychischer Vorerkrankungen" für die Frage, ob Soldaten durch den Einsatz psychisch geschädigt werden. Beispiele für solche Erkrankungen sind Depressionen, Alkoholmissbrauch oder Angststörungen. Der Anteil von 20 Prozent Soldaten mit Vorbelastung liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Einer Studie des Robert-Koch-Instituts zufolge litt im Jahr 2011 jeder dritte Bundesbürger unter mindestens einer psychischen Störung.

Doch Wittchen zufolge erhöhen solche Vorbelastungen bei Soldaten das Risiko einer Erkrankung nach dem Einsatz erheblich: Unerkannt vorbelastete Soldaten hätten ein vier- bis sechsfach höheres Risiko, mit einer neuen psychischen Erkrankung aus dem Einsatz zurückzukehren. In der Studie werden daher verbesserte Diagnoseverfahren gefordert, "um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen". Man brauche "verbesserte klinisch-diagnostische Screenings".

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, forderte Konsequenzen: "Die Bundeswehr ist nun gefordert, endlich effektive Früherkennungsverfahren zu etablieren. Nur psychisch gesunde Soldatinnen und Soldaten dürfen in die Einsätze gehen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Dass ein Fünftel der Soldatinnen und Soldaten bereits mit einer manifesten psychischen Störung in den Einsatz geht, muss ein Ende finden."

Das Verteidigungsministerium verwies darauf, dass es bereits ein Pilotprojekt gebe, in dem psychologische Screeningverfahren erarbeitet würden, um bereits bestehende Belastungsstörungen vor der Teilnahme an Einsätzen zu erkennen.

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