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Studie:McKinsey legt Studie zur Abschiebung von Flüchtlingen vor

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Die Bundesregierung soll abgelehnte Asylbewerber entweder entschiedener abschieben oder mehr Geld in die Hand nehmen, um die Menschen von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen: Das schlägt der Entwurf einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey vor, aus dem die Welt am Sonntag zitiert. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die vertrauliche Untersuchung demnach in Auftrag gegeben.

In dem Entwurf schlägt McKinsey der Regierung 14 Maßnahmen vor, mit der sich eine "konsequentere Rückführung" ausreisepflichtiger Ausländer durchsetzen ließe. Wichtigste Punkte: die Einrichtung von Abschiebegefängnissen, mehr Geld für freiwillige Rückkehrer, die "konsequente digitale Erfassung im Ausländerzentralregister", mehr Personal in den Ausländerbehörden und eine Zentralisierung der Verantwortlichkeiten für die Rückkehr.

Bis Ende kommenden Jahres werden etwa 485 000 Menschen ausreisepflichtig sein

Aus der Studie geht hervor, dass es Ende 2017 in Deutschland etwa 485 000 Menschen geben wird, die das Land wieder verlassen werden müssen. Wahrscheinlich werden aber nur etwa 85 000 Flüchtlinge das Land tatsächlich verlassen - 400 000 eigentlich Ausreisepflichtige würden demnach hier bleiben.

Doch nicht nur die Zahl der Ausreisen sei zu gering, schreiben die Berater, die Umsetzung der Abschiebungen dauere auch zu lange. Denn bis die Geflüchteten in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, vergingen oft zwischen einem und viereinhalb Jahren.

Um den Prozess zu beschleunigen, empfehlen die McKinsey-Berater, geduldeten Flüchtlingen die Geldleistungen zu kürzen. Insbesondere Asylsuchenden, die krank seien oder keine Passpapiere vorlegten, solle man für Essen oder Kleidung statt Geld nur noch Sachleistungen geben. Das verringere die "finanzielle Flexibilität". McKinsey empfiehlt außerdem, Leistungen zu kürzen, wenn Asylbewerber nicht zur Klärung ihrer Identität oder zur Beschaffung von Passersatz-Dokumenten beitrügen.

Auf eines der größten Probleme, das der Abschiebung vieler Geflüchteten im Weg steht, so schreibt es die Welt am Sonntag, die das Dokument kennt, gehen die Autoren der Studie jedoch gar nicht ein: Das Problem, dass viele Menschen schlicht nicht abgeschoben werden können, weil ihre Heimatländer sie nicht wieder zurücknehmen. Stattdessen legten die Autoren den Fokus auf die Förderung der freiwilligen Ausreise - mit Geldanreizen. Fraglich ist, wie viele Geflüchtete dieses Angebot annehmen, und wie leicht sich höhere finanzielle Anreize politisch durchsetzen lassen.

Bereits im August war bekannt worden, dass die Bundesregierung McKinsey für die Erstellung des 14-Punkte-Plans die stattliche Summe von 1,8 Millionen Euro zahlt. Viele, die mit den Problemen vertraut sind, sehen den teuren Bericht schon länger kritisch. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert. So stellte etwa Wolfgang Bosbach, Innenexperte der CDU und damit selbst Mitglied einer Regierungspartei, in der Welt am Sonntag die Frage, "warum man für so viel Geld externen Sachverstand einkauft, der auch in Bundesbehörden und Ministerien zweifellos vorhanden ist". Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte: "Den Bericht hätten Bundes- und Landesbehörden genauso gut erarbeiten können. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beamten."

Das Bamf hatte bereits im Oktober 2015 einen Rahmenvertrag mit McKinsey abgeschlossen und dabei aus Gründen der "Eilbedürftigkeit" auf eine Ausschreibung verzichtet. Auch bei der Vergabe des Auftrags für diese Studie Ende Juli 2016 gab es keine offizielle Ausschreibung.

Erste Sammelrückführung nach Afghanistan im Dezember geplant

Bund und Länder wollen die Abschiebung von Flüchtlingen forcieren, streiten jedoch bislang über die Umsetzung. Während vor allem SPD-geführte Länder auf eine konsequente Anwendung der bereits verschärften Gesetze dringen, erwägt Bundesinnenminister Thomas de Maiziere weitere Gesetzesänderungen.

Noch für den Dezember hat die Bundesregierung Informationen des Spiegel zufolge eine erste Sammelrückführung von 50 Afghanen geplant. Erst im Oktober hatten Deutschland und Afghanistan eine Erklärung zur Rückkehr abgelehnter Asylbewerber unterzeichnet. In dem jetzt geplanten Flug werden sowohl freiwillige Rückkehrer als auch solche Afghanen sitzen, die nur unter Zwang wieder gehen.

Abschiebungen nach Afghanistan sind unter Menschenrechtlern extrem umstritten, in großen Teilen des Landes ist die Sicherheitslage desolat. Im ersten Halbjahr 2016 wurden deshalb nur 18 abgelehnte Asylbewerber dorthin abgeschoben, 2015 waren es 9.

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