Studie der Mercator-Stiftung:Willkommenskultur verliert an Zuspruch

Flüchtlinge

Flüchtlinge in einer Unterkunft in Hamburg: Die Stimmung gegenüber Neuankömmlingen hat sich laut der Mercator-Studie verschlechtert. (Archivbild)

(Foto: dpa)
  • Eine Umfrage der Uni Bielefeld sieht in der deutschen Bevölkerung eine zunehmende Ablehnung von Flüchtlingen.
  • Knapp ein Drittel aller Befragten beschuldigt Flüchtlinge des Asylmissbrauchs.
  • Menschen, die selber einen Migrationshintergrund haben, gehen in ihren Aussagen sogar noch etwas strenger mit Neumigranten um.

Von Jan Bielicki

In Deutschland wächst die Ablehnung gegen Flüchtlinge - und dabei blicken hier lebende Zuwanderer und Menschen, die aus Migrantenfamilien stammen, ähnlich skeptisch auf Neuankömmlinge wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. In einer Umfrage, die Forscher der Universität Bielefeld am Donnerstag in Berlin vorstellten, stimmten fast 36 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund und sogar mehr als 38 Prozent der befragten Menschen aus Zuwandererfamilien der These zu, dass die hohen Flüchtlingszahlen die Zukunft Deutschlands gefährden. In beiden Gruppen war allerdings eine Mehrheit der Menschen der Meinung, dass die Zukunft des Landes durch Flüchtlinge nicht in Gefahr ist.

Knapp ein Drittel aller Befragten beschuldigt Flüchtlinge des Asylmissbrauchs - und auch hier ist das Misstrauen gegenüber den Schutzsuchenden bei Menschen, die selber Migrationserfahrung haben, sogar etwas größer als bei den Alteingesessenen.

Die Willkommenskultur jedenfalls hat laut der Studie zuletzt deutlich an Zuspruch verloren. Nur jeder vierte Befragte ohne Migrationshintergrund gab an, es gefalle ihm, dass sich so viele Migranten für Deutschland als neue Heimat entscheiden. Bei einer ähnlichen Befragung zwei Jahre zuvor waren das noch mehr als ein Drittel der Interviewten. Unter Menschen mit Migrationshintergrund ist die Zustimmung zur Willkommenskultur größer. Aber auch von ihnen bekundeten nur 41,5 Prozent uneingeschränkt, dass sie sich über eine stärkere Willkommenskultur freuen würde. ein Drittel tendierte zur Antwort "teils/teils" - sie reagierten damit "zurückhaltender als erwartet", wie die Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick und Madlen Preuß schreiben.

Sie haben im Auftrag der Mercator Stiftung 1300 Menschen befragen lassen, davon etwa 500 mit Migrationshintergrund. Dabei haben sie festgestellt, dass immer mehr Alteingesessene auf Vorrechten gegenüber den Neuankömmlingen pochen. So fand jeder dritte Befragte, dass "auf keinen Fall Forderungen stellen oder Ansprüche erheben" sollte, wer irgendwo neu oder später hinzukommt. Vor zwei Jahren meinte das nur jeder Fünfte.

Drei Viertel finden, jeder Flüchtling hat ein Recht auf ein bessere Zukunft

Das Erstaunliche dabei: Menschen, die selber oder deren Eltern zugewandert sind, gehen in ihren Aussagen sogar noch etwas strenger mit Neumigranten um als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Mehr als die Hälfte von ihnen meinte, die Neuen sollten "sich erst mal mit weniger zufrieden geben", mehr als 28 Prozent schlossen sich der Forderung an, die Neuen sollten sich "hinten anstellen, wenn es nicht für alle reicht". "Auch in der migrantischen Bevölkerung verschärft sich der Ton, wenn es darum geht, eigene Vorrechte zu sichern", schreiben die Forscher.

Andererseits stehen immer noch fast drei Viertel aller Befragten dahinter, dass jeder Flüchtling ein Recht auf ein bessere Zukunft hat - auch in Deutschland. Jedoch nicht dauerhaft: Mehr als die Hälfte der Befragten ist dafür, die Flüchtlinge zurückzuschicken, wenn sich die Lage in deren Heimat verbessert.

Egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund - immer mehr Menschen, so stellen die Forscher fest, fordern eine einseitige Anpassung der Zuwanderer an die Deutschen. Wichtigste Punkte dabei sind für sie die deutsche Sprache und die Achtung vor den Gesetzen.

In einem Punkt allerdings gehen die Meinungen von Leuten mit und ohne Migrationsgeschichte auseinander: Wenn es um die Kultur der Herkunftsländer geht. Zwei Drittel der Befragten aus Zuwandererfamilien halten es für gut, wenn Migranten ihre kulturellen Wurzeln beibehalten, von den alteingesessenen Deutschen meint das nur die Hälfte, Tendenz sinkend.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: