Für junge, gut ausgebildete Ukrainer ist Europa eine Utopie, die sich mit der Realität in ihrem Land nicht verträgt. Ein Besuch auf dem Campus der renommierten, prowestlichen Mohyla-Akademie in Kiew.
Larysa Chovnyuk, 39 Jahre, leitet das International Office an der Kiewer Mohyla-Akademie
Ich bin ja ein bisschen älter als meine Studentinnen und Studenten. Als ich jung war haben meine Eltern mir immer gesagt: Halte dich fern vom Staat und seinen Repräsentanten. Dieses Verständnis hat noch sehr viel länger überlebt als die Sowjetunion. Dass du schaust, dass du selber durchkommst, überlebst, aber dich von der Politik fernhältst. Ich merke das bis heute. Neulich war die Fußgängerampel vor meinem Büro kaputt. Anstatt einfach selbst bei der Stadt anzurufen, habe ich erst einmal der Uni-Leitung Bescheid gesagt. Erst als dann einige Wochen nichts passiert ist, habe ich gedacht: Hey, es ist doch irgendwie auch deine Ampel, da musst du vielleicht selbst was tun! Dann habe ich im Internet die Nummer der zuständigen Behörde rausgesucht. Das hat nur drei Minuten gedauert und nochmal drei Minuten, dort anzurufen. Aber ich habe mehrere Wochen gebraucht, um auf die Idee zu kommen, selbst aktiv zu werden. Ich glaube, dass sich das Verhältnis von Bürgern zum Staat in der Ukraine langsam ändert. Viele Ukrainer verstehen inzwischen, dass die Zivilgesellschaft nicht nur irgendwelche NGOs sind, sondern sie selbst.