Struck und Kauder:"Du duzt Frau Homburger?!"

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Der einstige SPD-Fraktionschef Peter Struck und sein CDU-Kollege Volker Kauder sind gute Freunde. Darum stellt Kauder auch das Buch des Genossen über Politik vor. Doch Struck ist etwas auf Krawall gebürstet.

Thorsten Denkler, Berlin

Peter Struck kann es nicht fassen. Entsetzt dreht sich der einstige SPD-Fraktionschef zu Volker Kauder um, bis 2009 sein Counterpart in der großen Koalition: "Du duzt Frau Homburger?!" Ein Journalist hatte danach gefragt, warum denn Kauder eigentlich die FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger erst seit kurzem mit "Du" anspreche, Struck aber schon ganz am Anfang der gemeinsamen schwarz-roten Regierungszeit.

Buchvorstellung unter Freunden: SPD-Mann Peter Struck und CDU-Mann Volker Kauder stellen in Berlin gemeinsam das neue Buch von Struck vor. (Foto: dpa)

"Das war eine ganz andere Situation", versucht sich Christdemokrat Kauder zu rechtfertigen, kann aber nicht verhindern, dass ihm die Frage eine gewisse Röte ins Gesicht treibt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee her zu kommen ins Haus der Bundespressekonferenz, um das Buch von Peter Struck vorzustellen. So läuft das - Politik mit Ecken und Kanten, hat Struck das Buch genannt. Es befasst sich in weiten Teilen mit der 2009 abgewählten großen Koalition.

Es waren Struck und Kauder, die als Fraktionsvorsitzende das Bündnis vorantrieben. Eine Freundschaft sei aus der Zusammenarbeit entstanden. Das sagen beide mit voller Überzeugung.

Hier der grantige Struck, bei dem es manche SPD-Abgeordnete schon mit der Angst zu tun bekamen, wenn sie ihm nur auf dem Flur begegnet sind. Dort Merkels Vertrauter, von dem mancher seiner Parteifreunde bis heute nicht so genau einzuordnen weiß, ob er zu den hart Konservativen oder den weichgespülten Liberalen in der Partei zählt. Da hat Kauder je nach Sachlage höchst unterschiedliche Auffassungen.

Weil es eben nicht gerade rund läuft mit dem angeblichen Wunschpartner FDP, könnte der Eindruck entstehen, Kauders Lobrede auf Struck sei Ausdruck einer Sehnsucht nach alten Zeiten. Der CDU-Mann bemüht sich redlich diesen Eindruck zu zerstreuen.

Kauder hat ausdrücklich SPD-Männer vom Schlage eines Peter Struck und auch Peer Steinbrück gelobt. Die hätten ihm gezeigt, dass es auch in der SPD einige gute Leute gäbe. Für ihn sei das eine überraschende Erkenntnis gewesen. Schließlich habe er die "Sozis" zuvor 30 Jahre lang "zu Wasser, zu Lande und in der Luft bekämpft". Einer will wissen, ober er solche Schwergewichte auch in der FDP ausmachen könne.

Kauder zögert eine Sekunde zu lang mit der Antwort. Struck grätscht dazwischen: "Das ist aber schwer." Kauder versucht sich zu retten, indem er sagt, man habe in der FDP eine "genauso gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit" wie zuvor mit der SPD - und auch "die Birgit Homburger und ich". Das erheitert dann doch hörbar einige im Saal. Sie mögen sich inzwischen duzen - Freunde aber werden Homburger und Kauder in diesem Leben sicher nicht mehr.

Struck kann da offener reden. Als ein Fragesteller annimmt, Struck finde die FDP "doof" antwortet der trocken: "Ja, das stimmt." Die sei eben nicht regierungsfähig: "Wer so lange in der Opposition war, wie die FDP, der kann es nicht mehr." Struck steigert das noch: Dass es in der schwarz-gelben Regierung nicht rund läuft, liege einzig an der "Unfähigkeit der FDP, regieren zu können".

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Das denken auch viele in der Union. Bei Kauder ist vielleicht deshalb gerade schwer auszumachen, ob er zustimmend nickt oder alles von sich weist. Er kann wohl nicht anders, als er sagt: "Also, da muss ich massiv widersprechen!" Und holt den einzigen vermeintlichen Erfolg heraus, den die Bundesregierung in jüngster Zeit zu vermelden hatte: "Nach dem Energiekonzept geht es mit uns aufwärts. Da muss sich die SPD keine Hoffnungen machen." Richtig überzeugt klang das noch nicht.

Struck will nicht aufhören, über die FDP zu lästern. "Man muss ja nur sehen, wie diese Amateure in dieser Partei agiert haben." Kauder donnert zurück: "Da spricht doch nur der Frust raus, dass ihr nicht mehr regiert!" Struck gelassen: "Gut, das nehmen wir zu Kenntnis." Aber der "Außenminister ist kein Ruhmesblatt für unser Land". Jetzt fällt auch Kauder nicht mehr viel ein. "Na, na. Jetzt lassen wir das mal." Und Struck lässt. Diese Runde ging an ihn.

Die beiden scheinen Spaß daran zu haben, sich anzublaffen. Vielleicht weil sie wissen, dass sie es dem anderen nicht übel nehmen und der eine den anderen nie persönlich angehen würde. Beide gelten als Politiker mit Ecken und Kanten. Kauder erklärt, was solche Politiker auszeichnet: klare Positionen und Orientierungen, die nicht immer alle teilen müssen. Und plötzlich kommt das Gespräch auf Thilo Sarrazin und Erika Steinbach. Auch zwei, die sich für Politiker mit Ecken und Kanten halten.

Kauder scheint zumindest Erika Steinbach abzusprechen, dass sie mit dieser Selbstwahrnehmung richtig umgeht. "Diejenigen müssen auch ertragen, dass die anderen widersprechen. Das ist eben nicht der Fall", sagt er. Steinbach will sich jetzt aus dem CDU-Bundesvorstand zurückziehen, weil sie sich von der Parteispitze nicht mehr verstanden fühlt. Die Vertriebenen-Präsidentin hatte zwei Funktionäre ihres Verbandes verteidigt, die den Eindruck erweckt haben, dass die Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trügen.

Kauder hält dagegen: "Meine Eltern waren Vertriebene", beginnt er. Die Erfahrungen seiner Mutter, ihre Flucht aus Jugoslawien über Österreich nach Deutschland hätten ihn geprägt. Sie habe ihre Schwester in einem Sarg nach Deutschland geschmuggelt. "Aber sie hat immer gesagt: Mein größtes Unglück war, dass die Nazis mich aus meiner Heimat vertrieben haben." Und eben nicht die Jugoslawen. Das sehen die Vertriebenenfunktionäre sicher schon grundsätzlich anders.

"Ich habe auch das Recht, meine Meinung zu vertreten", sagt Kauder. Die mit Ecken und Kanten müssen eben damit rechnen, dass sie auf andere mit Ecken und Kanten treffen. Steinbach hat damit offenbar nicht gerechnet. Vielleicht ist es diese Geradlinigkeit, die Struck und Kauder zusammengebracht hat.

Struck ist mit der Bundestagswahl 2009 aus dem Parlament und allen Ämtern ausgeschieden. Er sei erleichtert, hat er damals gesagt. Was er heute vermisst, will einer wissen. Der Sozialdemokrat denkt lange über die Frage nach. Seine Mitarbeiter, sagt er dann - und schließlich: "Ich vermisse ihn natürlich auch". Da legt Struck seine Hand auf Kauders Arm. Dann nimmt er seine Hand zurück, zieht sie wieder ganz an sich heran und erklärt: "Ich glaube, ich bin ganz gegangen."

Und lächelt.

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