Stromausfall auf der Krim:Blackout am Schwarzen Meer

Stromausfall auf der Krim: Einer der zersörten Strommasten in der Region Cherson

Einer der zersörten Strommasten in der Region Cherson

(Foto: AP)
  • Nachdem auf dem ukrainischen Festland Nationalisten zwei Strommasten in die Luft gesprengt hatten, war die Stromversorgung auf der Krim am Sonntag teilweise untebrochen.
  • Die russische Regierung rief auf der Halbinsel den Notstand aus.
  • Der Anschlag auf die Starkstromleitungen ist das vorerst letzte Kapitel einer Machtprobe in der Ukraine.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die russische Regierung hat am Sonntagmorgen auf der Krim den Notstand ausgerufen. Der Grund dafür lag allerdings außerhalb der Halbinsel: Auf dem ukrainischen Festland in der Region Cherson waren zwei Strommasten in die Luft gesprengt worden, die Täter werden unter ukrainischen Nationalisten vermutet. Auf der Krim, die Moskau 2014 annektiert hatte, waren daher knapp zwei Millionen Menschen ohne Strom. Die Halbinsel hängt, was Energie- und Wasserversorgung angeht, weitgehend von der Ukraine ab. In Kiew betrachtet man das ambivalent: Die Abhängigkeit ist Erpressungspotenzial gegenüber Moskau, Nabelschnur für die pro-ukrainischen Krim-Bewohner - und Verweis auf die historische Verbundenheit der russisch geprägten Schwarzmeer-Region mit der Ukraine. Ein Terrorakt auf ukrainischem Gebiet trifft einerseits ganz direkt die andere Seite. Aber nicht nur: Auch in der Südukraine selbst war die Stromversorgung Zehntausender gefährdet.

Im Tagesverlauf konnte dann zumindest in den größeren Städten der Krim der Blackout behoben werden; mit eigenen Kraftwerken sowie mit Gasturbinen und Dieselgeneratoren sei die Versorgung zumindest in größeren Städten teilweise wiederhergestellt worden, sagte ein Sprecher der örtlichen Behörden. Dennoch bleibt die Verwundbarkeit des annektierten Gebietes ein Dauerthema in Moskau.

Zugleich war der Anschlag auf die Starkstromleitungen das vorerst letzte Kapitel einer Machtprobe in der Ukraine, die sich seit zwei Monaten hinzieht. Weil die russischen Behörden die krimtatarische Minderheit massiv drangsaliert, gegen einige tatarische Aktivisten Einreiseverbote erlassen und krimtatarische Medien geschlossen hat, hatten Angehörige der Minderheit sowie mit ihnen sympathisierende Mitglieder des nationalistischen Rechten Sektors im September die Zufahrt zur Krim nur für Lastwagen und später einen Teil der Stromzufuhr blockiert. Logistisch ist das relativ einfach, weil die Landbrücke zur Halbinsel schmal ist und Gütertransporte im Wesentlichen über eine einzige große Straße und einige wenige Checkpoints abgewickelt werden. Alternativ kann Moskau die Krimbewohner nur aus der Luft oder über die Meerenge bei Kertsch versorgen.

Krimtataren und Rechter Sektor wollten mit ihrer Blockade gegen die Unterdrückung der Minderheit durch Moskau protestieren, aber auch die Freilassung ukrainischer Gefangener aus russischer Haft erreichen. Wochenlang war die Aktion ein Thema in den ukrainischen Medien gewesen, ohne dass die Regierung etwas dagegen unternommen hätte. Erst am Samstag haben Nationalgarde und Soldaten dann versucht, die Blockade mit Gewalt zu beenden. Nach Behördenangaben wollten sie offenbar einem Reparaturtrupp Zugang zu den bereits zuvor beschädigten Strommasten verschaffen.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Ukraine und Russland

Mit dieser Aktion ist eine inoffizielle, aber schweigend geduldete Intervention wieder in aller Munde, die auch zahlreiche radikale Kräfte angezogen hatte. Regierungskritiker wie die Aktivisten des Automaidan, welche die Haltung Kiews zur Krim-Annexion zu lasch finden und nicht verstehen können, warum man die Strom- oder Lebensmittelversorgung nicht ganz kappt, hatten sich gemeldet, Parlamentsabgeordnete waren zu Solidaritätsbesuchen angereist, Mitglieder von Freiwilligenbataillonen hatten die Blockade unterstützt.

Erst durch die Aktion war auch landesweit bekannt geworden, was zuvor niemand so recht zur Kenntnis nehmen wollte: Dass Kiew schon vor einem Jahr die Krim zu einer "freien Wirtschaftszone" ausgerufen hatte, sodass ukrainische Unternehmer, die Waren auf die Halbinsel liefern, keine Steuern zahlen müssen und ihre Handelsbeziehungen trotz der Annexion fortsetzen können. Russland hat das übrigens Anfang 2015 auch getan und damit dafür gesorgt, dass die Krim, wie die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Analyse feststellt, eine "Steueroase und trotz der Sanktionen ein attraktiver Standort für lukrative Geschäfte" ist. Ukrainische Waren sind auf der Krim weitaus preiswerter zu haben als russische, was zu hohen Profiten für die Exporteure führt.

Einfalltor für Korruption

Wer in Kiew nachfragt, bekommt zu hören, das habe zwei ganz praktische Gründe: Zum einen bedeute diese Maßnahme einen Schutz für die Interessen ukrainischer Händler, zum anderen betrachte man die Krim ja weiter als ukrainisch, versorge also sinngemäß seine eigene Bevölkerung. Allerdings ist die offizielle Haltung gegenüber den "Autonomen Republiken" Donezk und Luhansk eine andere, alle Zahlungen dorthin wurden vor Jahresfrist eingestellt. Die Kritiker der "freien Wirtschaftszone Krim" monieren zudem, dass diese Konstruktion ein Einfalltor für Korruption sei und das "Besatzungsregime" mittelbar am Leben halte.

Auch für die Stromversorgung haben Moskau und Kiew eine für beide Seiten nützliche Lösung gefunden, deren Grundlage auf einem Vertrag von Ende 2014 resultiert, nach dem sich die Ukraine verpflichtet, 550 Millionen Kilowattstunden Strom pro Monat an die Krim zu liefern. Ungeachtet massiver Kritik an den Vertragsbedingungen profitiert die Ukraine offenbar so stark davon, dass der Nettogewinn bis dato hundert Millionen US-Dollar weit übersteigt. Experten gehen daher davon aus, dass Blockade und Blackout durchaus im Interesse Kiews liegen, weil sie Moskau immer wieder demonstrieren, dass es in der Krim-Frage auf Kiew angewiesen ist.

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