Streit zwischen Sarkozy und Cameron:Einfach mal den Mund halten

"Es macht uns krank": Auf dem EU-Gipfel in Brüssel krachte es heftig zwischen dem französischen Präsidenten Sarkozy und dem britischen Premier Cameron. Genervt von Camerons Ratschlägen zur Euro-Rettung polterte Sarkozy los - im Beisein aller Staats- und Regierungschefs. Einmal in Fahrt nahm sich der angriffslustige Präsident auch noch Berlusconi vor.

Großbritannien wird den Euro auf absehbare Zeit nicht einführen, mehr noch: Das Land hat sogar ein vertraglich gesichertes Recht, das britische Pfund behalten zu dürfen. So gesehen, könnte der Streit um die Griechenland-Hilfen David Cameron egal sein. Er könnte sich heraushalten. Sollen die Euro-Länder ihre Probleme doch alleine lösen. Wir haben das britische Pfund, ein Glück!

David Cameron

Ungewollte Ratschläge: Der britische Premierminister forderte auf dem EU-Gipfel größere Anstrengungen der Euro-Länder bei der Bewältigung der Schuldenkrise. Dem französischen Präsidenten Sarkozy missfiel die Einmischung des Kollegen. Die beiden lieferten sich am Rande des Treffens ein heftiges Wortgefecht.

(Foto: AP)

Doch obwohl sein Land nicht dazugehört, möchte der britische Premier in Sachen Finanzkrise seinen Einfluss auf die EU-Politik gewahrt sehen. Er sorgt sich um die heimische Wirtschaft, die in einer tiefen Krise steckt. Beim EU-Gipfel in Brüssel habe es zwar Fortschritte gegeben, sagte der Tory-Mann am Sonntag. Die Stärkung der Banken und des Krisenfonds EFSF sowie der Umgang mit Griechenland seien richtig. Aber: "Wir brauchen große und kühne Taten."

Camerons Einwürfe kommen allerdings nicht bei allen EU-Politikern gut an: Mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy soll er während des Gipfels einen heftigen Streit gehabt haben: Wie der britische Guardian berichtet, soll Sarkozy - genervt von Camerons wiederholten Mahnungen - den Premierminister inmitten der Runde aller Staats- und Regierungschefs rüde angeschaunzt haben: "Sie haben eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten. Wir haben es satt, dass Sie uns ständig kritisieren und sagen, was wir tun sollen. Sie sagen, Sie hassen den Euro, und jetzt mischen Sie sich in unsere Sitzungen ein."

Das Zerwürfnis der beiden (konservativen) Politiker verzögerte den EU-Gipfel offenbar um mehr als zwei Stunden. Dennoch unterstrich Cameron auch nach dem Streit noch einmal seine Position. Er fordert, dass Großbritannien und alle anderen EU-Länder, die nicht Mitglieder der Eurozone sind, am entscheidenden Treffen zur Euro-Rettung am Mittwoch in Brüssel teilnehmen können.

Cameron fürchtet eine Anti-EU-Abstimmung im Unterhaus

Der Premierminister, der die Politik der Eurozone in den vergangenen Wochen wiederholt scharf kritisiert hatte, steht innenpolitisch massiv unter Druck. An diesem Montagnachmittag wird im britischen Unterhaus eine Abstimmung darüber erwartet, ob Großbritannien in einem Referendum über seine Mitgliedschaft in der EU abstimmen soll.

Die Abstimmung wurde vom rechten Flügel von Camerons konservativer Partei initiiert. Bis zu 100 Abgeordnete wollen sich hinter den Antrag stellen. Das Ansinnen gilt jedoch als chancenlos. Nicht nur die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungskoalition aus Konservativen und Liberaldemokraten ist dagegen, auch die große Oppositionsfraktion der Labour-Partei hat sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen.

Angriffslustiger Sarkozy nimmt sich auch Berlusconi vor

Cameron ist aber nicht der einzige Politiker, der sich Angriffen von Sarkozy gegenübersieht: Auch der Streit zwischen Italien und Frankreich um die Postenverteilung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ist neu entbrannt: Sarkozy habe beim Gipfel in Brüssel seiner Verärgerung Ausdruck verliehen, dass das italienische Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi bisher nicht, wie zwischen beiden Ländern verabredet, Platz für einen Franzosen gemacht hat.

"Sarkozy begann verärgert zu werden. Da habe ich irgendwann zu ihm gesagt: Was soll ich tun? Smaghi umbringen?", sagte Berlusconi vor Journalisten. Er hoffe, dass Smaghi seinen Posten bis Ende des Jahres räumen werde. Allerdings sei der Einfluss des italienischen Ministerpräsidenten auf Personalfragen innerhalb der EZB beschränkt, räumte Berlusconi ein.

Smaghi, dessen Amtszeit bis 2013 läuft, sträubt sich bisher vehement gegen einen Amtsverzicht zugunsten eines Franzosen. Laut einem Bericht des Corriere della Sera steht die EZB hinter dem Italiener. Ein Direktoriumsmitglied könne nicht durch Druck vonseiten der Politik zum Rücktritt gezwungen werden, zitierte das Blatt aus einem internen Papier der EZB. Der Rücktritt eines Mitglieds des Direktoriums könne "nicht in irgendeiner Form durch politischen Druck beeinflusst werden".

In der Vereinbarung vom April hatte Sarkozy zugesichert, die Kandidatur von Italiens Notenbankchef Mario Draghi als Nachfolger von EZB-Chef Jean-Claude Trichet zu unterstützen. Im Gegenzug sollte Smaghi seinen Platz in EZB-Direktorium für einen Franzosen räumen.

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