Streit ums Geld:Der große Kuhhandel

Vätermonate gegen längeres Elterngeld, Bauernpauschale gegen Reichensteuer: Wie die Koalition zu Kompromissen kommt.

Nico Fried

Seit einigen Jahren trifft sich in Deutschland alle paar Wochen der Koalitionsausschuss. Diese Institution, der die wichtigsten Politiker der kooperierenden Parteien angehören, gelangte vor allem in Zeiten der rot-grünen Regierung zu einiger Bedeutung.

Damals war der Ausschuss das Forum, in dem man sich die persönlichen Kränkungen, die zuvor nur über die Medien ausgetauscht wurden, endlich auch im vertraulichen Gespräch zufügen konnte. Viele Wutanfälle und Tränenausbrüche sind aus dieser Zeit überliefert, bedeutende politische Entscheidungen nicht so sehr.

Unter Schwarz-Rot soll das nun natürlich anders sein. Nüchterne Arbeit an den großen Themen ist jetzt erwünscht. Von drei Sitzungen des Ausschusses war bisher zu berichten. Die erste blieb vor allem aus zwei Gründen in Erinnerung. Erstens, weil die drei Generalsekretäre von CDU, CSU und SPD in der anschließenden Pressekonferenz ausführlich erklärten, was alles nicht besprochen wurde. Und zweitens, weil die Herren Markus Söder (ziemlich groß), Ronald Pofalla (mittel) und Hubertus Heil (nicht so groß) nebeneinander stehend ein Bild abgaben wie die legendären Dalton-Brüder aus den Comic-Heften.

Die Partner fragen sich, wer unzuverlässiger ist

Beim zweiten Treffen ging es dann schon eher in gewohnter Weise zur Sache. Ein wichtiges Thema seinerzeit war, wer von den Koalitionspartnern der Unzuverlässigere sei, worüber sich besonders Volker Kauder und Matthias Platzeck nicht einig waren. Die dritte Sitzung ist schnell zusammengefasst: Sie fiel aus - mangels Gesprächsstoff, wie es hieß.

Am Montag nimmt die Koalition nun einen weiteren Anlauf. Großer Symbolik nicht abgeneigt, hat sie den 1. Mai als Termin gewählt: den Tag der Arbeit. Um 18 Uhr trifft sich zunächst eine kleinere Spitzenrunde, um beim Thema Gesundheitsreform festzustellen, dass man, wenn überhaupt, nur mühsam weiterkommt. Um 20 Uhr stößt dann das restliche Establishment dazu, um - wie zu vermuten wäre - das Land endlich in entscheidender Weise voranzubringen.

Doch gemach. Einen Tagesordnungspunkt hat zunächst einmal die CSU auf die Agenda gezwängt. Dabei handelt es sich um Erhalt, Abschaffung oder Variation der Vorsteuerpauschale für Landwirte - für die Bauern zweifellos wichtig, für die Reformpolitik insgesamt vermutlich eher nachrangig. Doch das Landwirtschafts- und das Finanzministerium sowie die Experten der Fraktionen haben sich in dieser Causa mittlerweile dermaßen in die Haare gekriegt, dass jetzt eben die Führungsrunde höchstselbst eine Entscheidung herbeiführen muss.

Machtworte gegen Nörgler

Ob der Abend auf einer geplanten Pressekonferenz am nächsten Morgen als Erfolg verkauft werden kann, hängt indes eher von zwei anderen Streitpunkten ab. So wird Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihren Gesetzentwurf für das Elterngeld präsentieren und wohl auch mit Interesse verfolgen, wie viel Machtworte Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen wird, um die Nörgeleien in der Union endgültig abzustellen.

Ein probates Mittel, Zustimmung zu erhalten, ist auch in der Politik bisweilen, sie zu erkaufen. Manches deutet darauf hin, dass dies auch beim Elterngeld geschehen wird. Die Wünsche jedenfalls liegen auf dem Tisch. Die CSU will eine längere Zahldauer, wenn sie die sogenannten Vätermonate akzeptieren soll, die SPD verlangt, das Elterngeld - eigentlich als Lohnersatzleistung gedacht - auch an Hartz-IV-Empfänger zu transferieren.

Die Frage, wer das alles bezahlen soll, könnte unmittelbar zum nächsten Streitpunkt führen: die Reichensteuer. Seit Monaten ist sie im Gespräch, aber erst jetzt ist einigen Juristen aufgefallen, dass die Koalitionsvereinbarung an dieser Stelle nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein könnte. Für eine findige Regierung kein Problem: Der Kreis der betroffenen Steuerzahler wird einfach ausgeweitet, was den praktischen Nebeneffekt hat, dass sogar noch mehr Geld in die Kasse kommt.

Zum Beispiel für einen Kuhhandel beim Elterngeld, siehe oben.

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