Streit ums Betreuungsgeld:Kritiker aus der Union macht Rückzieher

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Er weiß eine Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite - doch nun scheint CDU-Politiker Kretschmer Angst vor der eigenen Courage zu bekommen: Der Fortbestand der Koalition habe Vorrang vor einer Blockade des Betreuungsgeldes. Er habe nicht damit gerechnet, dass seine Kritik an dem umstrittenen Zuschuss öffentlich werde.

Es entbehrt nicht einer gewissen Absurdität: Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge ist eine Mehrheit der Deutschen gegen das umstrittene Betreuungsgeld. 54 Prozent sprechen sich in der von Infratest dimap erhobenen Umfrage gegen die Förderung für Eltern aus, die ihre Kinder nicht in staatlich geförderte Krippen schicken.

Der Unions-Bundestagsfraktionsvize Michael Kretschmer also weiß eine Mehrheit der Bundesbürger auf seiner Seite. Kretschmer gehört zu einer Gruppe von 23 Unionsabgeordneten, die sich in einem Brief an Fraktionschef Volker Kauder gegen das Vorhaben ausgesprochen haben. Ohne die Abgeordneten hätte Angela Merkels Koalition keine Mehrheit für das Lieblingsprojekt der CSU, die stur an dem Zuschuss festhält. Man habe sich darauf schließlich im Koalitionsbeschluss geeinigt.

Kretschmer bekommt nun offenbar Angst vor der eigenen Courage: Der Fortbestand der schwarz-gelben Koalition habe für ihn Vorrang vor der Blockade des Betreuungsgelds. "Das Betreuungsgeld wird in einer vernünftigen Form ganz sicher kommen", sagte der CDU-Politiker der Leipziger Volkszeitung.

Kretschmer sagte, er und die 22 anderen Unterzeichner eines Briefes gegen die aktuellen Betreuungsgeldpläne seien überrascht über den dadurch ausgelösten Streit. Man habe nicht geplant, damit in die Zeitung zu kommen. "Wer das durchgestochen hat, der wollte nur den Terror in der Koalition erzeugen."

Dabei sprechen auch immer mehr Fakten gegen das Betreuungsgeld:

[] Forscher hatten errechnet, dass die Maßnahme den Steuerzahler sehr viel teurer kommen würde, als bislang bekannt.

[] Am Vortag meldete die FDP verfassungsrechtliche Bedenken an - und kann sich in dieser Haltung auf mehrere juristische Gutachten stützen.

[] Bei der Untersuchung der Wirkungen des Betreuungsgeldes in Thüringen kommt eine Studie zu einem verheerenden Urteil.

Hinzu kommt, dass bezüglich des Kita-Ausbaus manche Bundesländer, darunter Bayern und Baden-Württemberg, hinterherhinken. Kritiker fordern deshalb, die Ausgaben für das Betreuungsgeld besser in den Aufbau entsprechender Strukturen zu stecken. Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund fordert: Sollte das Geld nicht reichen, um den von August 2013 an geltenden Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erfüllen zu können, müsse das Betreuungsgeld verschoben werden.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund will den Rechtsanspruch per Notfallpan umsetzen: Nötig seien größere Betreuungsgruppen, schnell angelernte Erzieher sowie eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur raschen Schaffung tausender betriebsnaher Betreuungsplätze, sagte Landsberg der Leipziger Volkszeitung. Im Bundesfreiwilligendienst könnten 5.000 Stellen für junge Leute geschaffen werden, die vielleicht später professionell als Erzieher arbeiten wollten.

Zudem solle das Bundesfinanzministerium Frauen erlauben, ohne Sozialversicherungspflicht neben dem eigenen Nachwuchs ein oder zwei weitere Kinder zu betreuen. Größere Gruppen in den Krippen seien möglich, wenn man einer Erzieherin Hilfskräfte an die Seite stelle.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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