Süddeutsche Zeitung

Streit um Zusatzbeiträge:Opposition wirft Merkel Heuchelei vor

Schlagabtausch im Bundestag: SPD und Grüne attackieren die Regierung im Streit um Zusatzbeiträge der Kassen und den künftigen Gesundheitskurs.

Die angekündigten Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung haben einen heftigen Schlagabtausch über den künftigen Gesundheitskurs im Bundestag ausgelöst. Die Opposition forderte die Koalition am Freitag in einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde auf, gegen die Zusatzbeiträge vorzugehen. Union und FDP versprachen stattdessen, dass sie einen Sozialausgleich aus Steuermitteln auf den Weg bringen.

"Jetzt gibt es weniger Netto", kritisierte Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn. Er warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Heuchelei vor. Die Union sei mitverantwortlich für Gesundheitsfonds und Zusatzbeiträge. "Das haben Sie beschlossen und Sie können es ändern, wenn Sie's ändern wollen."

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte den Zusatzbeitrag als kleine Kopfpauschale, mit denen die Menschen auf die große Pauschale à la FDP vorbereitet würden. "Die Vorschläge laufen nur darauf hinaus, dass mit einer Steuersubvention die Gutverdiener und die Arbeitgeber entlastet werden." Er forderte zu sparen. Die geplanten Gespräche von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mit der Pharmaindustrie darüber brächten aber nichts: "Dass ist so ähnlich, wenn Sie die Frösche bitten, nach vorne zu treten und Vorschläge zur Trockenlegung des Sumpfes vorzutragen."

CDU-Experte Jens Spahn verteidigte die Zusatzbeiträge: "Wir haben für Transparenz im Versicherungsmarkt gesorgt." Denn viele Kassen schütteten Prämien aus oder verzichteten auf Extra-Beiträge. Anders als die SPD stehe die Union zum Beschlossenen.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach sagte, die große Koalition habe "ein marodes Gesundheitssystem übergeben". Die Zusatzbeiträge seien von vornherein gewollt gewesen, da das System unterfinanziert sei. Sie bekräftigte den Plan der Koalition für eine Kopfpauschale, bei der jeder eine einkommensunabhängige Prämie zahlen soll. Für Geringverdiener ist ein Sozialausgleich aus Steuermitteln vorgesehen. Eine Kommission soll dazu im Sommer Vorschläge vorlegen.

Zuvor hatte Rösler in einem Interview erklärt, es bedürfe eines neuen Ansatzes. "In der jetzigen Form sind die Zusatzbeiträge unsozial." Weil bis zur Höhe von acht Euro monatlich kein Sozialausgleich stattfinde und Gering- und Gutverdiener dieselbe Summe zu zahlen hätten, würden die Menschen dies als ungerecht empfinden. Der FDP-Politiker bekräftigte, er wolle ein System mit einem automatischen Sozialausgleich über Steuern schaffen.

Acht Kassen hatten zu Wochenbeginn verkündet, dass sie in nächster Zeit Zusatzbeiträge erheben wollen - darunter die DAK mit fast fünf Millionen Mitgliedern. In Kreisen der Krankenkassen wird damit gerechnet, dass bis zur Jahresmitte mindestens 30 weitere Versicherer einen Zusatzbeitrag erheben und spätestens 2011 jede der 169 Kassen von diesem Instrument Gebrauch machen wird.

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