Süddeutsche Zeitung

Streit um ungarische Notenbank:Orbán beugt sich Druck der EU - ein bisschen

Das klamme Ungarn benötigt dringend Finanzhilfen, doch die sind wegen des Streits um den autoritären Kurs von Premier Orbán gefährdet. Nun scheint er einlenken zu wollen - zumindest in einem Punkt. Proteste gegen seine Regierung will er im eigenen Land aber nicht dulden.

So richtig überzeugt schienen die Argumente der EU-Kommission den ungarischen Premier Viktor Orbán nicht zu haben: Bei seinem Auftritt vor dem EU-Parlament in Straßburg erklärte er, der Umbau seines Landes und seine umstrittenen Gesetze erfolgten "auf der Grundlage europäischer Werte". Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass sich der Streit schnell beilegen lassen werde und gab sich gesprächsbereit.

In nur knapp einem Jahr hat Ungarns Premier mit Hilfe der Zwei-Drittel-Mehrheit der regierenden Fidesz-Partei die Rechtsgrundlagen in seinem Land rigide umgebaut. Seit Januar ist die neue, umstrittene Verfassung in Kraft, die hauptsächlich ein Ziel zu haben scheint: die Macht Orbáns und seiner Partei zu zementieren. Kritiker sehen das Land auf dem Weg in eine Autokratie. Die EU-Kommission hat wegen mehrerer Gesetze drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Diese beziehen sich auf das Notenbankgesetz sowie auf andere legislative Akte, die vermutlich die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewährleistung des Datenschutzes in Ungarn beeinträchtigen.

Nun will Orbán in einem wichtigen Punkt einlenken: Im ungarischen Radiosender MR1-Kossuth kündigte er an, den Plan einer Fusion zwischen der Zentralbank und dem Finanzmarktregulierer PSZAF aufgeben zu wollen. Die EU hatte kritisiert, dass die Fusion die Unabhängigkeit der Zentralbank gefährden könnte. Orbán erklärte, er rechne in der kommenden Woche bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit einer politischen Einigung.

"Problematischer" sei die Frage des Eides auf die neue Verfassung, den Leiter der ungarischen Zentralbank leisten müssen, so der ungarische Regierungschef weiter. Dies war ebenfalls kritisiert worden. Orbán will auch an der Regelung festhalten, Leitern von Firmen in Staats- oder Gemeindebesitz die Gehälter mit zwei Millionen Forint (etwa 6600 Euro) zu deckeln.

Das klamme Land ist dringend auf Finanzhilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. Sollte das mitteleuropäische Land nicht einlenken, droht ihm ein langwieriger Rechtsstreit. Zudem würde Ungarn in dieser Zeit nicht an erhoffte Milliarden-Kredithilfen kommen.

Orbán erklärte im staatlichen Rundfunk weiter seine Bereitschaft zur Einigung mit dem IWF und der EU über einen neuen, milliardenschweren Notkredit. "Jetzt hängt es nur mehr noch von IWF und EU ab, wann das Kreditabkommen abgeschlossen werden kann."

Vordergründig also gibt sich Orbán einsichtig. Doch regierungskritische Proteste am 15. März in der Budapester Innenstadt will seine rechts-konservative Regierung nicht zulassen. Am 15. März gedenken die Ungarn des Ausbruchs der Revolution gegen die Habsburger-Herrschaft im Jahr 1848. Mehrere Oppositionsgruppen hatten für diesen Tag eine Großkundgebung gegen die aus ihrer Sicht autoritäre Politik Orbáns angekündigt.

"Empörend, hinterhältig, kleinlich"

Allerdings haben die Behörden bereits für alle Gebiete der Budapester Innenstadt, die sich für Großkundgebungen eignen, sogenannte Platzreservierungen angemeldet. Oppositionsgruppen könnten somit für den 15. März gar keine eigenen Kundgebungen mehr anmelden.

Die Oppositionsbewegung "4K!" (Vierte Republik) nannte das Vorgehen auf ihrer Facebook-Seite "empörend, hinterhältig und kleinlich": "Die Regierung muss gewährleisten, dass auch die Opposition der Revolution von 1848 würdig gedenken kann", hieß es in einer Stellungnahme.

Die Regierung selbst meldete ihre "Platzreservierung" gleich bis zum Jahr 2014 an, dem regulären Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode. "Zu den Staatsfeiertagen werden staatliche Feiern organisiert, und es ist nur recht und billig, wenn die Regierung die entsprechenden Schauplätze vorausplant", erklärte Regierungssprecher Péter Szijjártó. "Die Feiern müssen ja irgendwo stattfinden."

Bislang war es allerdings nicht üblich, dass die staatlichen Feiern zum 15. März die gesamte Budapester Innenstadt belegen. Im vergangenen Jahr demonstrierten an dem Feiertag Zehntausende Menschen gegen die Einschränkung der Medienfreiheit durch die Regierung.

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