Süddeutsche Zeitung

Streit um Trittin-Äußerung:Wo die grünen Taliban wohnen

  • Jürgen Trittin soll im Gespräch mit einer Spiegel-Journalistin Baden-Württemberg das "Waziristan der Grünen" genannt haben.
  • Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt findet den Vergleich "geschmacklos" und fordert Aufklärung.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Wer wissen will, wo die grünen Taliban wohnen, der muss nur Jürgen Trittin fragen. Der ehemalige Vormann der Grünen hat das nämlich gerade dem Spiegel verraten. In der Partei gebe eine kleine Strömung von äußerst radikalen Realos, sagte er. Zehn bis 15 Prozent, in der Größenordnung etwa. Und die lebten erstaunlicherweise alle in Baden-Württemberg, erklärte Trittin angeblich einer Spiegel-Reporterin, während er den Resten einer Mousse au Chocolat auf seiner Zunge nachspürte.

Baden-Württemberg, "dieses Waziristan der Grünen", soll Trittin dann gesagt haben. So steht es in Anführungszeichen in der aktuellen Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins.

Taliban-Realos im Süden

Jürgen Trittin wäre gerne Außenminister geworden. Will es vielleicht sogar noch immer irgendwann werden. Jedenfalls weiß er genau, was Waziristan ist: eine Bergregion hoch im Nordwesten Pakistans. Bekannt als das Rückzugsgebiet der afghanischen Taliban. Dort tankten sie jahrelang unbehelligt Kraft für ihre Angriffe gegen die Ungläubigen.

Für Trittin wäre damit auch klar, wer der Stammesführer der Grünen-Taliban ist. Der sitzt in Stuttgart im Staatsministerium und heißt Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und der erste Grüne in einem derartigen Amt. Den Linken in der Partei war er schon immer suspekt. Seit er aber kürzlich im Bundesrat die Hand hob für einen Asylkompromiss, ist er komplett unten durch. Sein Ja hat die Grünen in eine ordentliche Krise gestürzt. Ein Desaster, an dem ganz allein Kretschmann die Schuld trage, gibt der Spiegel Trittins Haltung wieder.

Trittin trifft mit seinem Taliban-Vergleich noch einige andere: Cem Özdemir etwa, gebürtiger Schwabe, Parteichef, Vorkämpfer für schwarz-grüne Bündnisse und Kretschmann-Erklärer. Oder Fraktionsvize-Chefin Kerstin Andreae aus Freiburg. Auch so eine Hardcore-Reala.

"Ein solcher Vergleich ist geschmacklos"

Das kann Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt Trittin natürlich nicht durchgehen lassen. "Ein solcher Vergleich ist geschmacklos", sagt sie zu Süddeutsche.de. "So geht man nicht mit Parteifreunden um." Politischer Streit könne auch "mal hart in der Sache sein, er sollte aber immer fair und respektvoll geführt werden".

Trittin äußert sich nicht inhaltlich zu dem Vergleich. Allerdings beschwert er sich in einem Brief an den Leiter des Berliner Spiegel-Büros, Nikolaus Blome, über die gedruckten Zitate. Die Journalistin habe sich nicht an die angeblich abgesprochene Regel gehalten, Zitate vor der Veröffentlichung autorisieren zu lassen, schreibt er. "Es gibt keine öffentliche Äußerung von mir, die das Land Baden-Württemberg als Waziristan der Grünen charakterisiert." (Sein Brief kann hier nachgelesen werden.)

Trittin bestreitet allerdings nicht, dass er den Vergleich im aus seiner Sicht nicht öffentlichen Gespräch mit der Journalistin gezogen hat. Göring-Eckardt findet deshalb: "Hier bedarf es einer deutlichen Klarstellung."

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