Streit um Steuersenkungen:Schwarz-gelbes Dilemma

Ministerpräsident Carstensen will Steuersenkungen ohne einen finanziellen Ausgleich im Bundesrat nicht zustimmen - doch andere Unions-Länder machen Front gegen eine Sonderregelung für Kiel.

Union und FDP müssen weiter um ihr erstes großes Steuersenkungspaket zittern. Die Unions-Ministerpräsidenten sind sich weiterhin uneins, ob sie dem Gesetz, das Entlastungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro vorsieht, am Freitag im Bundesrat zustimmen werden.

Streit um Steuersenkungen: Ob der Bundesrat den geplanten Steuersenkungen zustimmt, ist weiterhin unsicher.

Ob der Bundesrat den geplanten Steuersenkungen zustimmt, ist weiterhin unsicher.

(Foto: Foto: ddp)

Mehrere Unions-Politiker griffen ihren Parteikollegen Peter Harry Carstensen an, weil der schleswig-holsteinische Ministerpräsident sich hartnäckig weigert zuzustimmen. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) warnte vor einer Sonderlösung zugunsten von Schleswig-Holstein, dessen schwarz-gelbe Regierung angesichts klammer Kassen das Gesetz im Bundesrat notfalls scheitern lassen will.

"Eine Vereinbarung mit nur einem einzigen Bundesland würde das Problem und die Verärgerung bei anderen Bundesländern nur noch vergrößern. Insofern gehe ich davon aus, dass es so nicht kommen wird", sagte Böhmer. Er sagte, aus seiner Sicht sei es völlig offen, wie die Länderkammer am Freitag über das Steuerpaket abstimmen wird. "Ich bin sehr zurückhaltend und skeptisch."

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lehnte eine "Lex Carstensen" strikt ab. Eine Sonderlösung für Schleswig-Holstein - um so eine Mehrheit im Bundesrat herzustellen - könne es nicht geben.

Der scheidende Ministerpräsident des südwestlichen Bundeslandes erteilte weiteren Steuersenkungen, wie sie Schwarz-Gelb plant, zugleich weitestgehend eine Absage. "Ich bin mir sicher, dass die Spielräume für weitere Steuersenkungen gering sein werden", sagte er der Stuttgarter Zeitung.

Zeil gegen Sonderbehandlung

Am Sonntag wird es ein Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Carstensen im Kanzleramt geben, um einen Ausweg zu finden. Die Regierung steht unter großem Zeitdruck, da das Gesetz bereits zum 1. Januar 2010 in Kraft treten soll.

Der Deutsche Städtetag appellierte an Bund und Länder, die Kommunen nicht mit Steuerausfällen aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hängenzulassen. Städtetags-Präsidentin Petra Roth (CDU) sagte der Leipziger Volkszeitung, es dürfe keine Lösung geben, die nur den Ländern helfe. "Die Kommunen brauchen auch einen Ausgleich, ihre Finanzlage darf nicht ausgeblendet werden", erklärte die Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main.

Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) warnte hingegen, das Steuersenkungspaket wieder aufzuschnüren. Zeil sagte dem Tagesspiegel: "Bayern sieht das Gesetz als ein Gesamtpaket. Wenn das Paket aufgeschnürt wird, wird es keine Zustimmung Bayerns geben. Wir werden keine Sonderbehandlung eines einzelnen Bundeslandes akzeptieren."

Er habe kein Verständnis für die Haltung Schleswig-Holsteins. Es gebe Länder, die seien ebenfalls in einer schwierigen haushaltspolitischen Lage. Jeder habe in etwa gewusst, was das Wachstumsbeschleunigungsgesetz koste. "Ich gehe davon aus, dass man in Schleswig-Holstein auch rechnen kann", fügte Zeil hinzu.

Niedersachsens Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Jörg Bode (FDP) äußerte Zweifel am Sparwillen Schleswig-Holsteins. Er sei überzeugt, "dass Schleswig-Holstein bei der Konsolidierung seines Haushalts noch Potential hat", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Wowereit gegen "billiges Rauskaufen"

Wie zuvor Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) warnte auch Bode vor einem Kieler Sonderweg: "Ich kann garantieren, dass auch die Länder, die bereits ihre Zustimmung signalisiert haben, das Gesetz bei einer Einzelfallregelung ablehnen werden. Eine Extrawurst für ein einziges Land kann es nicht geben."

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte seine CDU-Kollegen in Schleswig-Holstein und Sachsen hingegen auf, bei ihrer Ablehnung des Steuerpakets der Bundesregierung am 18. Dezember im Bundesrat zu bleiben. "Ich hoffe, dass sie aus Vernunft bei ihrem Widerstand bleiben und sich nicht billig rauskaufen lassen", sagte Wowereit der Nachrichtenagentur dpa.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise völlig kontraproduktiv, sagte der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. "Dann sollte man auch den Mut haben, zu erkennen, dass man hier falsch gelegen hat. Es ist eine Frage von Stärke, wenn man es zurückziehen würde."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier ging angesichts der Steuerpläne scharf mit der schwarz-gelben Koalition ins Gericht. "Schwarz-Gelb feiert eine Orgie der Klientelpolitik", sagte Steinmeier der Rheinischen Post. Er warf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Versagen vor.

Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, griff derweil speziell die geplante Mehrwertsteuersenkung für Hotel-Übernachtungen von 19 auf sieben Prozent an, die Teil des Pakets ist. "Wir brauchen nicht mehr Ausnahmen, sondern weniger Ausnahmen vom Regelsatz", sagte Franz dem Konstanzer Südkurier.

Die Senkung sei "genau das falsche". Er befürchte, dass die Regierung in den nächsten Jahren nicht um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer herumkomme. Allein die "Hotel-Steuer" soll den Bund eine Milliarde Euro pro Jahr kosten.

FDP-Chef Guido Westerwlle zeigte sich trotz aller Debatten zuversichtlich: "Hauptsache, am Ende stimmt das Ergebnis", sagte der Vizekanzler der Welt am Sonntag.

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