Streit um Steuerreform:FDP und CSU knatschen

Von wegen "Wildsau" und "Gurkentruppe": Gemeinsam nehmen FDP und CSU den Bundesfinanzminister in die Zange. Wolfgang Schäuble soll Steuern senken, möglichst bald. Der Minister mauert - neuer Koalitionskrach ist programmiert.

In der schwarz-gelben Koalition zeichnet sich neuer Krach ab. Anders als bisher scheinen die Fronten nicht zwischen FDP und CSU verlaufen. Die Zeiten, in denen sich die beiden Koalitionspartner als "Wildsau" und "Gurkentruppe" beschimpften, scheinen vorbei zu sein. Nun geht es erneut um das Thema Steuersenkungen und da ziehen Christsoziale und Freidemokraten an einem Strang.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP, l) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)

Streiten um Steuersenkungen: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP, l) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)

(Foto: dpa)

Auf der anderen Seite: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auf keine Steuereinnahmen verzichten möchte. Der Herr über den Haushalt sieht sich einer neuen Attacke ausgesetzt. Sie kommt von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der liberale Kabinettskollege und seine FDP wollen nicht klein beigeben - und sehen sich durch jüngste CSU-Vorschläge gestärkt.

Im Entwurf für den Jahreswirtschaftsbericht plädiere der liberale Ressortchef für großzügige Steuererleichterungen noch in dieser Legislaturperiode, schreibt der Spiegel. Besonders untere und mittlere Einkommen müssten nach Ansicht des FDP-Ministers noch vor 2013 entlastet werden. Zudem spreche sich Brüderle erneut für einen Stufentarif im Steuersystem aus.

FDP-Chef Guido Westerwelle nannte das bisherige Konzept von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für ein Steuervereinfachungsgesetz unzureichend. Schäuble hält eine große Steuerreform nach wie vor nicht für finanzierbar. Er habe seine Beamten angewiesen, bei der Ressortabstimmung des Berichts alle weitreichenden Ankündigungen zu tilgen, schreibt das Magazin. Unterstützung bekomme Schäuble von Kanzlerin Angela Merkel. Sie ist dem Magazin zufolge der Ansicht, die Diskussion über die Steuerreform gehöre in den Koalitionsausschuss, nicht in den Jahreswirtschaftsbericht der Regierung. Auch in der Frage, wann die beschlossenen Steuervereinfachungen in Kraft treten sollen, habe sich Merkel auf Schäubles Seite geschlagen.

Der Termin für die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags und der anderen Maßnahmen sei für 2012 vereinbart worden, dabei solle es bleiben. Für die Unternehmen bedeute es einen nicht zumutbaren bürokratischen Aufwand, die neuen Bestimmungen rückwirkend einzuführen.

Westerwelle über CSU-Konzept "hocherfreut"

Westerwelle betonte im Focus mit Blick auf Schäubles Steuer-Pläne: "Gesetze werden nicht von Referenten, sondern von Abgeordneten beschlossen. Uns ist es wichtig, dass alles, was an Steuervereinfachungen beschlossen ist, möglichst schnell in Kraft tritt. Was technisch möglich ist, muss jetzt kommen und nicht erst 2012."

Schwarz-Gelb müsse jetzt vorrangig nach Wegen suchen, "wie etwas geht, und nicht nach Gründen, warum etwas nicht geht". Über das am Freitag vorgelegte CSU-Steuerkonzept mit mindestens fünf Milliarden Euro Entlastungsvolumen sei er "hocherfreut".

Das dürfte man in München gerne hören. Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon, der das christsoziale Steuerkonzept ausgetüftelt hat, hält es angesichts des Wirtschaftsaufschwungs für realistisch. Die Steuermehreinnahmen sprudelten, zugleich entlaste die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt die öffentlichen Kassen, sagte er der Leipziger Volkszeitung.

Andere CSU-Vertreter forderten ebenso eine Steuerreform: Parteivize und Verkehrsminister Peter Ramsauer sagte der Rheinischen Post, sollte schon die Steuerschätzung im Mai Spielräume eröffnen, "dann können wir im zweiten Halbjahr die Dinge so entwickeln, dass wir zum 1.1.2012 oder 2013 die Entlastung machen". Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach. Das von der Berliner Koalition geschnürte Paket müsse wie verabredet rückwirkend zum Jahresbeginn 2011 in Kraft treten, forderte Michelbach in München. Außerdem müssten weitere Schritte zur Steuervereinfachung folgen.

SPD kritisiert "Ein-Themen-Partei" FDP

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), räumte in der Mitteldeutschen Zeitung allerdings ein: "Die Spielräume, die wir brauchen, um dieses Konzept umzusetzen, müssen wir uns erst noch hart erarbeiten. Die Menschen erwarten in erster Linie, dass wir aus der Schuldenspirale herauskommen."

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) mahnte die schwarz-gelbe Bundesregierung bei den Steuervereinfachungen zur Eile. "Alles, was in diesem Jahr verwaltungstechnisch noch umsetzbar ist, sollte nicht auf das nächste Jahr verschoben werden", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Dazu scheint mir auch die erhöhte Arbeitnehmerpauschale zu gehören." Für Verzögerungen in der Umsetzung gebe es keinen Grund, betonte Müller.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, verlangte mehr finanzpolitischen Mut. "Eine echte Steuerreform zum Beispiel ist notwendig und auch machbar. Ich werde nicht nachlassen, die Bundesregierung an ihre Zusagen zu erinnern, die sie im Koalitionsvertrag gemacht hat." Er habe sowohl den Ministern als auch dem Kanzleramt "Gespräche angeboten, auch was die Frage der Gegenfinanzierung angeht".

In der Opposition hält man nichts von Steuererleichterungen zu diesem Zeitpunkt: Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Joachim Poß, kritisierte: "Westerwelle und Brüderle halten die FDP konsequent auf dem Niveau einer Ein-Themen-Partei. Auch in diesem Jahr fällt ihnen nichts anderes ein, als irreale Steuersenkungsfantasien zu verbreiten. Wie auch die CSU ignoriert die FDP dabei die verfassungsmäßige Grenze aus der Schuldenbremse."

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