Streit um Steinbach:Merkel spielt auf Zeit

Bitte um Geduld in der Steinbach-Debatte: Kanzlerin Merkel glaubt nicht an einen Durchbruch bei ihrem heutigen Treffen mit Polens Premier Tusk.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet nicht damit, dass ihr Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zu einer Lösung des Konflikts um die Besetzung des Stiftungsrats des geplanten Vertriebenenzentrums führt. "Das dauert noch ein paar Tage, und daran wird auch die Begegnung mit dem polnischen Ministerpräsidenten heute nichts ändern", sagte Merkel am Freitag in Berlin.

Streit um Steinbach: Stößt weiter auf heftigen Widerstand in Polen: die Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach.

Stößt weiter auf heftigen Widerstand in Polen: die Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach.

(Foto: Foto: AP)

Sie bekräftigte, dass für sie eine Realisierung des Projekts "im Geist der Versöhnung" im Vordergrund stehe. "Und dieser Geist sollte jetzt auch auf der letzten Etappe seine Umsetzung finden."

Merkel kommt am Abend in Hamburg mit Tusk zu einem Gespräch zusammen. Eins von mehreren Themen wird die Kandidatur der Vertriebenenpräsidenten Erika Steinbach für den Stiftungsrat des in Berlin geplanten Vertriebenenzentrums sein. Die CDU-Politikerin war vergangene Woche vom Bund der Vertriebenen nominiert worden. In Polen hatte die Entscheidung einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Zuvor hatten sich beide Seiten um eine Entkrampfung der bilateralen Beziehungen bemüht.

Doch eine derart herausgehobene Funktion für Steinbach berühre "schmerzhaft unsere polnische Empfindlichkeit für die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg", sagte Polens Premierminister Tusk der Financial Times Deutschland. Er erwarte von der deutschen Regierung eine Entscheidung, die "der authentischen deutsch-polnischen Freundschaft dient", betonte Tusk.

Er warb um Verständnis für die polnische Ablehnung Steinbachs. Die Entscheidung über den Stiftungsrat sei zwar eine Angelegenheit der deutschen Regierung, in die Polen sich nicht einmische, sagte Tusk. Er bat jedoch darum, den polnischen Standpunkt zu berücksichtigen. "Ich habe meine ganze Autorität immer für gute deutsch-polnische Beziehungen eingesetzt", betonte Tusk. Deshalb habe er das Recht, "eine ehrliche und authentische Einschätzung abzugeben".

Noch schärfere Töne von Polens Außenminister

Von Polens Außenminister Radoslaw Sikorski kamen zuvor noch schärfere Töne. Steinbach "kam in unser Land mit Hitler und musste mit Hitler verschwinden", sagte Sikorski unter Anspielung auf ihren Geburtsort. Die Vertriebenenfunktionärin kam 1943 in Rumia, einer während des Zweiten Weltkrieges deutsch besetzten polnischen Stadt, zur Welt. Sie sei keine Vertriebene, ihr "Papi", ein deutscher Feldwebel, habe vor der Roten Armee und den polnischen Soldaten flüchten müssen, legte Sikorski nach.

Uneinigkeit auch in Deutschland

Auch die Bundesregierung ist sich über die Personalie uneins. Während die SPD Steinbach ablehnt und auf eine schnelle Entscheidung dringt, will Merkel sowohl dem Recht des Vertriebenenbundes auf Mitwirkung im Stiftungsrat als auch den Bedenken aus Polen gerecht werden. Merkel sucht nach einer für beide Seiten akzeptablen Lösung.

Ein Hinauszögerung der Entscheidung bis nach der Bundestagswahl kommt für sie aber offenbar nicht in Frage. Die Kanzlerin hatte schon am Donnerstag eine Lösung innerhalb von einigen Tagen angekündigt, ohne sich dabei ganz genau festzulegen.

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