Streit um Sozialreformen:Schröder: Agenda 2010 reicht nicht

Noch steckt der Kanzler mitten im Streit um seine Agenda 2010, da sattelt er schon drauf: Die bisher geplanten Sozialreformen reichten nicht aus. Die Notwendigkeit zu reformieren sei ein "permanenter Prozess". Das Gezerre um die jetzigen Vorschläge geht unterdessen weiter.

Die Agenda sei zwar bereits "ein gewaltiger Kraftakt", sagte Schröder dem Tagesspiegel am Sonntag. "Aber mit der Agenda ist Politik für diese Legislaturperiode ja nicht an ihr Ende gekommen."

Unterdessen gingen die erbitterten Auseinandersetzungen über die Reformpläne zwischen Gewerkschaften und SPD unvermindert weiter. IG-Metall-Vize Jürgen Peters sagte der SPD in einem dpa-Gespräch Wahlniederlagen voraus, wenn sie bei Schröders Reformkurs bleiben sollte: "Wenn das so durchgezogen wird, muss die SPD doch auch wissen, dass sie die nächsten Wahlen mit Sicherheit nicht gewinnen kann."

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) kündigte an, die SPD werde die Reformpolitik notfalls ohne die Gewerkschaften durchsetzen.

Warnung vor Blockade

Derweil offenbarten sich in der Union Differenzen über eine mögliche Zusammenarbeit mit der rot-grünen Regierung. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) stellte dafür Bedingungen.

Die Positionen seien in vielen Punkten nicht so weit auseinander, dass es keinen Spielraum für Verhandlungen gäbe, sagte Koch dem Spiegel. Auch CSU-Landesgruppenchef Michael Glos warnte laut Focus seine Partei vor einer Blockade. "Unsere Wähler im Mittelstand und die Arbeitnehmer sagen: Wir wollen, dass unsere Arbeitsplätze und Firmen überleben. Uns interessieren Eure Machtspiele nicht."

Stoiber kündigt Ablehnungsfront an

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber kündigte hingegen in der Welt am Sonntag für die weiteren Verhandlungen mit der Regierung eine Ablehnungsfront an.

So werde die Union die komplette Streichung des Krankengeldes und die Verschiebung der Rentenerhöhung "massiv ablehnen". Sein Staatskanzlei-Chef Erwin Huber (CSU) sagte, die Union werde besonders beim Kündigungsschutz ihr eigenes Konzept durchsetzen und notfalls Schröders Agenda blockieren.

Kritik von den Jusos

Massiv kritisiert wurde die SPD-Führung erneut vom Parteinachwuchs. Der Bundeskongress der Jungsozialisten beschloss in Bremen ein mehrseitiges Papier mit Änderungsvorschlägen. Es sieht unter anderem die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine höhere Erbschaftsteuer vor. Zudem wird eine Ausbildungsplatzabgabe gefordert und beim Arbeitslosengeld II eine Regelung, die die Menschen nicht in die Armut treibt.

Juso-Chef Niels Annen kritisierte die "Agenda 2010" als "einzige Gerechtigkeitslücke". Beim Sonderparteitag am 1. Juni in Berlin "werden wir kein Basta akzeptieren", kündigte Annen an.

Unterdessen schwor SPD-Fraktionschef Franz Müntefering die SPD-Abgeordneten auf volle Unterstützung für die Reform-Agenda ein. "Der Kanzler und ich auch, wir haben allen 251 SPD-Abgeordneten gesagt, wir brauchen jede Stimme. Anders geht das nicht", sagte Müntefering der Welt am Sonntag. Er fügte hinzu, er rechne nach dem SPD-Sonderparteitag nicht mit Abweichlern in der Fraktion: "Es gibt bisher keine einzige Ankündigung von irgendjemandem, dass er definitiv nicht zustimmt."

IG-Metall-Chef Klaus Zwickel warf Schröder vor, er sei nicht dialogwillig, weil er darauf bestehe, seine Reform-Agenda vollständig umzusetzen. Zugleich kritisierte Zwickel aber auch IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel, der über einen Sturz des Bundeskanzlers spekuliert hatte. "Das ist politisch dumm", sagte Zwickel der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der IG Metall gehe es nicht um den Kopf des Kanzlers, sondern darum, dass er die Politik einhalte, die er versprochen habe und für die er gewählt worden sei.

Auch Ministerpräsident Beck sagte der Bild am Sonntag: "Es ist nicht klug, wenn einzelne Gewerkschafter mit dem Sturz des Kanzlers kokettieren. Sie müssen sich gut überlegen, mit wem sie Politik gestalten wollen, wenn dieser Kanzler scheitert." Der bayerische SPD-Vorsitzende Wolfgang Hoderlein warf in derselben Zeitung Zwickel, dessen Vize Peters sowie Wiesehügel vor, den Konservativen in die Hand zu spielen.

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