Streit um Rüstungsexporte:Seehofer eröffnet eine neue Front

Streit um Rüstungsexporte: Blick in die Fabrikhalle der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann im Nordwesten von München

Blick in die Fabrikhalle der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann im Nordwesten von München

(Foto: Imago)

Rüde attackiert CSU-Chef Seehofer die Rüstungspolitik von Wirtschaftsminister Gabriel. Kein Wunder: Auch der Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann leidet unter den strengen Exportregeln.

Von Karl-Heinz Büschemann und Christoph Hickmann, Berlin

Die CSU hat eine neue Front in der großen Koalition aufgemacht, dieses Mal auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Nach seinen umstrittenen Plänen für eine Pkw-Maut, sorgt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer jetzt mit einer Attacke gegen die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verantwortete Politik für Rüstungsexporte für Streit in Berlin.

Bayerns Ministerpräsident wirft dem Wirtschaftsminister vor, er gefährde Arbeitsplätze in Bayern, weil er zu viele Exportaufträge für Waffen blockiere. Bayern habe als Standort großer Rüstungsunternehmen "da ein starkes Interesse", hatte Seehofer in einem Interview erklärt. Er sehe die Gefahr, dass deutsche Rüstungsunternehmen "vom Markt verschwinden".

Auch Seehofers Wirtschaftsministerin Ilse Aigner beklagt, wenn die deutsche Rüstungsindustrie weder für die Bundeswehr noch für den Export neue Systeme entwickeln dürfe, "werden wir Kompetenz und Arbeitsplätze verlieren".

Das klingt, als sei in der Waffenbranche, die 1990 noch rund 400 000 Menschen beschäftigte und heute nur noch die Hälfte davon, eine akute Krise ausgebrochen, weil der Berliner Wirtschaftsminister sich in den Kopf gesetzt hat, die Exporte von Kriegswaffen schärfer zu kontrollieren.

Seehofer erregt, Waffenindustrie gelassen

Offenbar fühlt sich Seehofer den 30 000 Arbeitsplätzen in der bayerischen Waffenindustrie besonders verpflichtet. Merkwürdig ist nur, dass die Waffenindustrie die Dinge gelassen sieht. "Seehofer braucht offenbar eine Entlastungsdebatte, um von der Maut-Diskussion wegzukommen", sagt ein Vertreter der Waffenindustrie.

Beim Airbus-Konzern, der zu den großen Unternehmen in Bayern zählt, wo unter auch wesentlich Teile des Kampfflugzeuges Eurofighter gebaut werden, herrscht ebenfalls völlige Ruhe. "Es ist nichts passiert, was die Aufregung von Seehofer erklären könnte", sagt ein Airbus-Manager.

Auch der Branchenverband BDSV gibt sich unaufgeregt. Minister Gabriel habe nur angekündigt, jede einzelne Entscheidung für Exportgenehmigungen restriktiver zu handhaben als die Vorgängerregierung. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Georg Wilhelm Adamowitsch, sieht aber keinen politischen Schwenk. "Im Koalitionsvertrag ist nicht vorgesehen, das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie das Außenwirtschaftsgesetz hinsichtlich der Genehmigung von Rüstungsexporten zu ändern."

Seehofer und seine Staatskanzlei wollen nicht verraten, warum sie jetzt den Aufstand machen und wie viele Rüstungsaufträge durch die zähe Genehmigungspraxis Gabriels blockiert sind. Doch Bayerns Regierungschef hat ein Unternehmen direkt vor seiner Haustür, das massiv in einer Krise steckt und gerade dabei ist, mit dem staatlichen französischen Konkurrenten Nexter zu fusionieren.

Berliner Trendwende bei Rüstungsexporten

Der in München ansässige Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann, der den Kampfpanzer Leopard herstellt und zu hundert Prozent von Rüstungsaufträgen abhängt, würde gerne 800 Panzer nach Saudi-Arabien verkaufen, wurde an diesem Geschäft jedoch schon von Gabriels Vorgängern gehindert.

Es geht um etwa 18 Milliarden Euro, eine Summe, die in Bayern Begehrlichkeiten auslöst, zumal der Panzerbauer in München nur noch Reparatur- und Wartungsaufträge abwickelt. Bei den anderen großen bayerischen Rüstungsfirmen ist die Not weniger groß. Firmen wie Airbus oder Diehl produzieren zu 80 Prozent zivile Produkte.

Aber es gehört zur politischen Realität in Berlin, dass Wirtschaftsminister Gabriel beim Thema der Waffenexporte bisher vom Koalitionspartner Union unbehelligt schalten und walten konnte. In den letzten Jahren sei in der Bundesregierung "oft zugunsten stärkerer Exporte entschieden worden", so der Politiker. Das will er ändern. "Was wir machen wollen, ist nichts anderes, als ein Exportregime zu installieren, das sich wieder stärker an die einschlägigen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport hält."

Diese Trendwende gefällt nicht jedem in der großen Koalition. Seehofer meint, Rüstungsexporte seien ein Thema für die gesamte Koalition. Dabei müsse man auch die nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen im Blick haben. Es verschärfe die Probleme der Rüstungsindustrie, wenn "ohne Konzeption und ohne klaren Kompass ein faktischer Exportstopp herbeiführt wird", schimpft er. Dieses Extrem könne er "nicht mittragen".

Sorge um Arbeitsplätze

Schon zuvor hatte es Widerstand in der Union gegeben. Ende Juni hatten sich neun ihrer Bundestagsabgeordneten - vier davon aus Bayern - in einem Brief an die CDU-Kanzlerin Angela Merkel gewandt: Der Wirtschaftsminister habe "ohne Abstimmung eine Kehrtwende in der deutschen Exportpolitik eingeschlagen", heißt es in dem Schreiben. Die "Verhinderungspolitik" des Sozialdemokraten ziehe "weitreichende Verwerfungen" nach sich und führe "zu nachhaltigen Störungen der außenpolitischen Beziehungen".

Auch die IG Metall sorgt sich um die Arbeitsplätze in der Kriegsbranche. Vorstandsmitglied Jürgen Kerner sagt, Waffenexporte dürften "nie vor Menschenrechte gehen", und fordert von der Bundesregierung "klare Leitlinien" für den Export. Der Wandel in der Waffenbranche dürfe nicht zulasten der Arbeitnehmer gehen. Deshalb will er auch Geld vom Staat, "damit Rüstungsfirmen vermehrt zivile Produkte herstellen können".

Seehofer will mit seinen Attacken auf die Rüstungspolitik weitermachen. Für den Herbst plant er "eine große Debatte" über die Verantwortung von Deutschland in der Welt. "Wir müssen auch unsere nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen im Auge haben", so der Ministerpräsident. Wer redet dann noch von der Maut.

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