Streit um Reformen:Der Kanzler keilt zurück

Im SPD-Gewerkschaftsrat ist es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen führenden Gewerkschaftsvertretern und Gerhard Schröder gekommen. Gegenstand des Streits war unter anderem die harsche Kritik von führenden Gewerkschaftern an der Reformpolitik der Bundesregierung.

Von Nico Fried

Zu Beginn der Sitzung hatte SPD-Chef Franz Müntefering die Agenda 2010 der Regierung in einem längeren Vortrag als notwendig verteidigt. Er wies auch die Forderungen nach Korrekturen zurück. In ihren Antworten kritisierten DGB-Chef Michael Sommer, der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters und die stellvertretende Vorsitzende von Verdi, Margit Mönig-Raane, nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor allem den Kanzler.

Dieser soll mit erbosten Zwischenbemerkungen reagiert haben. Besonders verärgert war Schröder offenbar, dass Sommer ihm gegenüber von "Deiner Agenda" sprach. Der Kanzler habe daraufhin wiederholt interveniert und klargestellt, dass die Reformen sowohl durch Beschlüsse der Koalitionsfraktionen wie auch durch zwei SPD-Parteitage mit großer Mehrheit bestätigt worden seien.

Der Chef der Polizeigewerkschaft (GdP), Konrad Freiberg, berichtete, es sei lange und mit "heftigen Ausdrücken" gestritten worden. Der Kanzler sei nach den Angriffen sehr erregt gewesen und habe "zurückgekeilt". Freiberg sagte dem Sender N24: "Ich habe eine derartige Auseinandersetzung im Gewerkschaftsrat noch nicht erlebt."

Müntefering klagt über Feindseligkeit von Gewerkschaftsseite

SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter berichtete ebenfalls von einer "deutlichen Aussprache". In SPD-Kreisen wurde allerdings auch darauf verwiesen, dass man im weiteren Verlauf der Sitzung zu einer sachlichen Debatte zurückgekehrt sei.

Auf SPD-Seite war die Verärgerung über die Gewerksschaftskritik bereits in den vergangenen Tagen angeschwollen. Mit diesen Angriffen werde die Stimmung gegen die Regierung aufgepeitscht, um von eigenen Problemen abzulenken, hieß es.

Schon am Montag morgen im Präsidium hatte sich Müntefering über die Feindseligkeit von Gewerkschaftsseite beklagt, die ihm bei manchen Veranstaltungen entgegenschlage.

Nach dem Gewerkschaftsrat musste DGB-Chef Sommer einräumen, dass die Gewerkschaftsseite keine inhaltlichen Zugeständnisse erreichen konnte.

Verdi-Chef Frank Bsirske, der zuletzt zu den schärfsten Kritikern Schröders gehörte, kündigte überraschend an, auf weitere Forderungen nach Korrekturen beschlossener Reformen zu verzichten. "Es nützt ja nichts, immer wieder danach zu rufen, wenn die Verantwortlichen sagen, sie hielten eisern daran fest", sagte Bsirske dem Stern.

Müntefering kündigte an, die SPD wolle in den nächsten Wochen verstärkt das Gespräch mit Betriebsräten suchen, "um unsere Politik zu erläutern". In Arbeitsgruppen mit den Gewerkschaften sollen zudem die Themen Mindestlöhne und Beschäftigungspolitik behandelt werden.

Sie stehen dann auch auf der Tagesordnung des nächsten Gewerkschaftsrats am 5. Oktober.

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