Streit um Quadriga-Preis für Putin:Chaos vor dem Dialog

Doch kein Preis für Putin: Am Samstag hat das Kuratorium die geplante Ehrung zurückgenommen - das Gremium kam damit auch einem Proteststurm deutscher Wissenschaftler zuvor. Der tagelange Streit um die Preisverleihung kommt zur Unzeit: Am Dienstag finden die deutsch-russischen Konsultationen in Hannover statt.

Daniel Brössler, Berlin

Das "Landhaus am See" in Garbsen liegt laut Eigenwerbung in "idyllischer Natur zwischen Gräsern, Schilf und mächtigen Bäumen". Es verspricht "ungestörtes Arbeiten". Hierher lädt Angela Merkel ihren Gast Dmitrij Medwedjew an diesem Montag zum Abendessen. Gemeinsam wollen Kanzlerin und Präsident die 13. deutsch-russischen Regierungskonsultationen vorbereiten, die am Dienstag in Hannover stattfinden.

Kritik an Quadriga-Preis für Putin

Geplatzte Ehrung: Der russische Ministerpräsident wird den Quadriga-Preis nun doch nicht erhalten.

(Foto: dpa)

Medwedjew dürfte die Gelegenheit nutzen, seine Gastgeberin zu fragen, was es auf sich hat mit dem Quadriga-Preis, den Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin nun doch nicht erhalten soll. Merkel wird wohl antworten, den Preis vergebe ein privater Verein. Die Bundesregierung habe damit nichts zu tun.

Ganz so einfach ist die Sache nicht. Der russischen Regierung fällt die Unterscheidung zwischen privat und Staat schwer. Sie wusste, dass dem Kuratorium des Quadriga-Preises in Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ein Regierungsmitglied angehört und war wohl auch angesichts der geplanten Verleihung am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, von einer offiziösen Veranstaltung ausgegangen.

Voranfragen hatten zudem erbracht, dass Putin von Merkel in Berlin empfangen werden würde. Dies freilich sei, ist aus der Bundesregierung zu hören, eine Selbstverständlichkeit und nicht als Unterstützung des Preises zu verstehen gewesen. Im Gegenteil: Die Quadriga-Leute sollen vor "Irritationen" gewarnt worden sein.

Nach Bekanntwerden der geplanten Ehrung ist es freilich zu mehr gekommen als nur zu Irritationen. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und weitere Mitglieder zogen sich aus dem Kuratorium zurück. Der dänische Installationskünstler Olafur Eliasson gab den Preis zurück. Mit dem gleichen Schritt drohte der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel.

Zudem braute sich ein Proteststurm deutscher Wissenschaftler zusammen. 260 von ihnen unterzeichneten ein Schreiben, in dem die Rücknahme der geplanten Ehrung gefordert wird. Unter "der Ägide Putins wurden in Russland Bürgerrechte beschnitten und ein autoritäres Regime errichtet", heißt es in dem Brief, den zahlreiche Osteuropa-Experten und Historiker, aber auch die früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) unterzeichnet haben.

"Viel mit Diktat zu tun"

Der Veröffentlichung des Aufrufs kam der Quadriga-Verein zuvor, indem er am Samstag die Preisverleihung am 3. Oktober ganz absagte. In einer Erklärung zeigte er sich "besonders betroffen von der massiven Kritik in den Medien und Teilen der Politik". Zutiefst bedauere man die Nachricht, dass Vaclav Havel seine Quadriga zurückgeben wolle. Der schwerkranke Havel ließ daraufhin erklären, die Absage sei eine "weise Entscheidung". Aus der Bundesregierung war zu hören, man habe auf diese Entscheidung keinen Einfluss genommen.

Das vom Quadriga-Verein angerichtete "Chaos", wie es ein Sprecher Putins nannte, ist aus den Regierungskonsultationen und dem parallel ablaufenden "Petersburger Dialog" ohnehin nicht mehr herauszuhalten. Gerade das Unbehagen über dieses "zivilgesellschaftliche" Gesprächsforum schien der Streit über den Preis an Putin zuletzt noch zu verstärken. Kritiker, auch im Lenkungsausschuss des Dialogs, halten das Forum für zu staatsnah.

"Die russische Zivilgesellschaft ist weiter, als viele Teilnehmer des Petersburger Dialogs glauben", sagt die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck von den Grünen. Viele Initiativen landesweit träten ein für Bürgerrechte und Demokratie. "Wenn der Petersburger Dialog glaubt, ein solcher Ansatz sei der russischen Seite nicht zuzumuten, stellt er sich auf die Seite des Kremls", warnt sie.

Damit wendet sie sich gegen die Mehrheitsposition im Lenkungsausschuss, die etwa der Publizist Michael Rutz vertritt. "Würde man, wie manche das jetzt fordern, den Petersburger Dialog zum Menschenrechtsforum umfunktionieren, zu einem Tribunal also über all das, was in Russland bei den Menschenrechten und im Justizwesen, auch in den Medien, noch schiefläuft, dann wäre der Petersburger Dialog unmittelbar beendet", schrieb er in einem Aufsatz für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine "solch unsensible Methode" habe nichts mit Dialog, "viel aber mit Diktat zu tun".

Kanzlerin Merkel schätzt die Einrichtung des Petersburger Dialogs "als solche" zwar sehr, wie es aus ihrer Umgebung heißt. Langfristiges Ziel müsse es aber sein, "dass er sich von Regierungsveranstaltungen durchaus trennt und auf eigenen Beinen steht". Weil es aber in Russland immer noch "eine gewisse Nähe der Verwaltung zu Zivilgesellschaft" gebe, müsse der Petersburger Dialog vorläufig "im Schlepptau" der Regierungskonsultationen bleiben.

Zu diesen erwartet Merkel zusammen mit neun Ministern die russischen Konterparts. Ein Dutzend Vereinbarungen sollen unterschrieben werden, etwa zu einem Deutschland-Jahr in Russland und einem Russland-Jahr in Deutschland 2012 und 2013. Mit Medwedjew will Merkel auch über den Umgang mit dem iranischen Atomprogramm sprechen. Sie hofft, Russland für verschärfte Sanktionen gegen Teheran gewinnen zu können. Auch für eine UN-Resolution gegen das Gewaltregime in Syrien will Merkel werben. Die Aussichten hierfür gelten indes als schlecht.

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