Streit um programmatische Ausrichtung:CDU-Politiker regt Sonderparteitag an

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Da klingen die Christdemokraten schon wie die Grünen: Die CDU weiß nicht mehr, für welche Inhalte und welche Werte sie stehen möchte - und denkt sogar schon über einen Grundsatzparteitag nach, um Programm und Profil zu klären. Doch Merkels Verteidiger sind sich sicher, dass sie eine "Konterrevolution" verhindern können.

Für welche Wert steht die CDU? Seit der langjährige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel in einem langen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Kurs der Partei unter Angela Merkel kritisiert hat, entwickelt sich innerhalb der Christdemokraten eine heftige Debatte über die programmatische Ausrichtung.

Der Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgt in der CDU für Diskussionen. (Foto: dapd)

Die Kanzlerin selbst mischt sich zwar noch nicht ein: Sie urlaubt derzeit bekanntlich in Südtirol und muss zwischendurch noch in Telefonaten mit Nicolas Sarkozy und Silvio Berlusconi versuchen, den Euro zu retten und die Welt vor einer neuerlichen Krise zu bewahren. Dafür melden sich aber ihre Verteidiger zu Wort.

Die stellvertretende Bundesvorsitzende Annette Schavan wies die Kritik von Teufel zurück. Sie sagte der Düsseldorfer Rheinischen Post, Veränderungen seien normal. Das müsse auch für die CDU gelten. "Für die Stärke der Volkspartei CDU ist es entscheidend, dass wir keine ideologischen Kämpfe führen, sondern die zentralen gesellschaftlichen Fragen überzeugend beantworten können", sagte sie. Die jetzige Debatte könne Teil einer Selbstvergewisserung der CDU sein. Teufel hatte moniert, die CDU verliere ihr Profil und verprelle ihre Stammwähler.

An ihrem Vorhaben, die Bildungspolitik auf dem kommenden Parteitag in Leipzig in den Mittelpunkt zu stellen, hält Schavan fest. "Die CDU muss trotz der aktuellen Kursdebatte in der Lage sein, in der Bildungspolitik Antworten für die nächsten zehn Jahre zu geben", sagte die Ministerin dem Spiegel.

Auch der scheidende saarländische Ministerpräsident Peter Müller verteidigte Merkels politischen Kurs. Zwar gebe es "Irritationen" innerhalb der Partei, sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das Sie in der vollständigen Fassung in der Wochenendausgabe der SZ lesen können, "aber wenn sich die Welt verändert, muss sich auch Politik ändern." Die CDU steckt laut Müller in einem Dilemma: "Wird öffentlich diskutiert, heißt es, die Partei sei heftig zerstritten. Ist dies nicht der Fall, lautet der Vorwurf: Friedhofsruhe."

Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann, sagte der Frankfurter Rundschau: "Manche in der CDU sehnen sich wohl nach den guten alten Zeiten zurück. Diesen Eindruck des 'Früher war alles besser' hat man ja öfter, wenn man älter wird. Aber wir leben nun mal in der Jetztzeit." Außerdem forderte Laumann seine Partei zu mehr Bürgernähe auf. "Die CDU muss wieder Themen finden, wo die Leute sagen: Da hat die CDU recht", zitiert ihn das Blatt. Die Kritiker stellten jedoch auch kein großes Problem für Merkel dar. "Ich glaube nicht, dass das der Start einer Konterrevolution ist", sagte Laumann, der auch Mitglied des CDU-Bundespräsidiums ist.

"Guttenberg hat eine Lücke hinterlassen"

Hessens Fraktionschef Christean Wagner wertete die Kritik am Profil der CDU als Ausdruck einer weit verbreiteten Stimmung in der Partei. "Es ist eine riesige Grundströmung von altgedienten Mitgliedern bis zur Jungen Union", sagte Wagner der Bild-Zeitung. "Wir brauchen einen Grundsatzparteitag zu Programm und Profil der Union." Merkel hätte den Leitantrag Bildung für den Parteitag im November in Leipzig schon vorab stoppen müssen, weil er mit der Abschaffung der Hauptschule gegen das Grundsatzprogramm der Union verstoße.

Der Berliner Landesvorsitzende Frank Henkel sagte dem Magazin Wirtschaftswoche: "Wir sollten selbstbewusst für unsere Werte einstehen, anstatt uns an einen vermeintlichen Zeitgeist anzupassen." Das konservative Profil der Union habe unter dem Ausscheiden des ehemaligen Bundestagsfraktionschefs Friedrich Merz und des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch aus der Politik gelitten. "Auch Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine Lücke hinterlassen, unabhängig von menschlichen Fehlern", sagte Henkel, der vor einer schwierigen Landtagswahl im September steht, mit Blick auf den früheren Verteidigungsminister.

Dagegen sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises und Bundesvorstandsmitglied Thomas Rachel, Atomkraft und Wehrpflicht seien nicht das Allerheiligste der CDU: "Der Kern der CDU sind das christliche Menschenbild, die soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration." Allerdings müsse die CDU besser erklären, wie sich ihre Entscheidungen aus dem christlichen Menschenbild und ihren Werten herleiten.

© sueddeutsche.de/dpa/cag/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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