Linke im Streit:Ramelow droht Ernst indirekt mit Putsch

"Wir brauchen keine Debatte übers Maulhalten": Thüringens Linksfraktionschef Ramelow ärgert sich, dass die Parteispitze die Programmdiskussion abwürgt - und warnt vor Konsequenzen.

Oliver Das Gupta und Michael König

Vor dem Superwahljahr 2011 mit Abstimmungen in sieben Bundesländern gerät die erst im Mai gewählte Linken-Doppelspitze aus Klaus Ernst und Gesine Lötzsch immer stärker unter Druck. Die Kritik konzentriert sich auf den Bayern Klaus Ernst.

Die Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst

Die Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst

(Foto: dapd)

Führende Vertreter der Linkspartei in Ostdeutschland wollen Ernst nach einem Bericht der Mitteldeutsche Zeitung spätestens nach der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses im September 2011 stürzen. Der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow habe indirekt angedeutet, dass der Erfurter Programmparteitag im Oktober 2011 zum Wahlparteitag umfunktioniert werden könnte, schreibt das Blatt. Weitere Schwierigkeiten bei der Debatte über das Grundsatzprogramm sollen Ernst ebenso zur Last gelegt werden wie mögliche Misserfolge bei den anstehenden Landtagswahlen in Westdeutschland. "Der kann es nicht", sagte ein führendes Mitglied der Partei der Zeitung.

Wesentlicher Streitpunkt ist der Entwurf über das künftige Parteiprogramm der Linken. Ramelow pocht darauf, dass die Parteiführung eine breite Programmdebatte zulässt - und sie sogar forciert. "Wir brauchen ein Klima der Debattenkultur statt ein Klima des Misstrauens", sagte Ramelow zu sueddeutsche.de. "Wir brauchen keine Debatte übers Maulhalten." Der Entwurf für ein neues Parteiprogramm dürfe nicht von vornherein für "sakrosankt" erklärt werden und "nur aus roten Linien bestehen".

Der Thüringer nannte es unabdingbar, eine "breite" Diskussion über den Charakter der Linkspartei zu führen. Er erwarte von der Parteispitze, dass sie zentrale Fragen formuliere und der Basis zur Beantwortung stelle: "Sind wir eine Sozialstaatspartei - oder eine moderne sozialistische Partei", nannte Ramelow als Beispiel sowie: "Sind wir eine Friedenspartei oder eine pazifistische Partei?"

Ramelow rückte auch in der Thüringer Allgemeinen die Frage der Programmdebatte in die Nähe eines casus belli: "Wenn der Vorstand weiter so agiert, müssen wir auf dem Erfurter Parteitag im Oktober 2011 ehrlich über Konsequenzen reden." Ramelow sagte, die Linke müsse plural und offen bleiben. "Aber mit einer Bundesspitze, die aus reiner Verzweiflung eine Wagenburg um sich herum baut, geht das nicht."

Tandem aus dem Tritt

Vor allem das Verhalten von Klaus Ernst kritisiert Ramelow: "Ich würde mir sehr wünschen, dass Ernst manchmal etwas leiser und Lötzsch lauter wäre", sagte er zu sueddeutsche.de mit Blick auf das Führungs-Tandem.

Ernst war am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, auch Lötzsch wollte sich nicht äußern. Stellvertretend konterte der Sprecher der Bundestagsfraktion, Hendrik Thalheim, die Kritik Ramelows.

"In der Parteispitze hat niemand zum Maulhalten aufgefordert. Da liegt Herr Ramelow falsch", sagte Thalheim. Von einer "Wagenburg-Mentalität" könne keine Rede sein. Die Partei sei für die Landtagswahlen im Jahr 2011 gut aufgestellt und konzentriere sich auf die Wahlkämpfe. "Bodo Ramelow formuliert gern etwas zugespitzt. Solche Übertreibungen helfen nicht immer weiter ", sagte der Sprecher.

In der Süddeutschen Zeitung (Dienstagsausgabe) hatte Ernst zuvor selbst scharfe Kritik an der politischen Kultur seiner Partei geübt. "Mich ärgert die Unvernunft, die ich teilweise erlebe", sagte Ernst. Zu oft gerate der Zweck der Partei, die "Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen", aus dem Blick.

Der Spitzenkandidat der Linkspartei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, kritisierte Ernsts Äußerung in der SZ, wonach es im Osten einige gebe, "die sich nicht damit abfinden können, dass es jetzt nicht mehr die alte PDS gibt. Diese Leute haben durch die Fusion an Einfluss verloren." Gallert sagte dazu: "Die alte PDS hat eine Menge Erfolg gehabt und eine Menge Dinge vorangebracht, gerade im Osten. Es wäre deshalb gut, wenn alle in der Führungsspitze diesen Erfahrungsschatz zur Kenntnis nehmen," sagte Gallert und fügte hinzu: "Ich weiß nicht, ob Klaus Ernst das tut."

"Das Erbe der SED liegt in unserem Rucksack"

Ramelow kritisierte nun auch Ernsts Sympathie für eine Satzungsänderung, wonach die Weitergabe vertraulicher Interna an Medien als "parteischädigend" bestraft werden könnte. Eine solche Regel hat sich bereits die Saar-Linke gegeben, Heimatverband von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, der Ernst stets gefördert hat. "Der Umgang mit dem Begriffen 'Parteischädigung' besorgt mich", sagte Ramelow zu sueddeutsche.de. 16 Millionen Menschen im Osten Deutschlands verbänden mit diesem Wort nichts Gutes. Die Linke dürfe nicht vergessen: "Das Erbe der SED liegt in unserem Rucksack."

Ramelow Linke

Führt die Linksfraktion im Erfurter Landtag: Bodo Ramelow

(Foto: ddp)

Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, hatte unlängst ebenso angedeutet, dass die Landtagswahlen einen möglichen Ausschlag auf die Parteispitze geben sollten: "Die Wahlergebnisse des kommenden Jahres werden zum Maßstab für den Erfolg der Partei und ihrer Führung." Bartsch war als langjähriger Bundesgeschäftsführer vor einem Jahr nach einer Kraftprobe mit der Parteiführung kaltgestellt worden.

Hintergrund der Debatte waren damals Bartschs Äußerungen über eine mögliche Nachfolge Lafontaines im Parteivorsitz. Bartsch hatte die Diskussion darüber kurz nach der Bekanntgabe von Lafontaines Krebserkrankung gestartet und war dafür vor allem von den westdeutschen Landesverbänden der Partei heftig kritisiert worden. Bundesfraktionschef Gysi hatte Bartsch gestern illoyales Verhalten gegenüber Lafontaine vorgeworfen.

Gysi nennt Streitereien "Geplänkel"

Gysi äußerte sich vor Ramelow zu den aktuellen Parteiquerelen. Er sieht seine Partei auf gutem Wege: "Wir haben uns erstmal mit uns selbst beschäftigt. Seit September sind wir wieder deutlich politischer geworden, was ich auch sehr begrüße", sagte er. Nach Ansicht Gysis braucht die Linke noch Zeit, um sich nach der Fusion mit der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) zusammenzuraufen. "2007 haben wir uns vereinigt. Ich sage mal, zwei Jahre brauchen wir noch."

Die noch laufenden Streitereien in der Partei bezeichnete Gysi als "Geplänkel", was damit zusammenhänge, dass die Linke Ende 2011 ein Parteiprogramm beschließen wolle. Darüber werde jetzt diskutiert, um schließlich Kompromisse zu finden. Das Programm brauche einen breiten Konsens. "Wir können mit einem Programm für 55 Prozent der Mitglieder nichts anfangen. Wir brauchen eines für 90 Prozent", sagte er.

Befragt nach einer Bewertung von Lötzsch und Ernst sagte Gysi: "Ich finde, dass sie gute Vorsitzende sind und dass sie sich ausgleichen. Sie sind so extrem unterschiedlich, dass sie schon wieder gut zueinander passen."

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