Streit um Preiserhöhungen:Der Gasrebell

Hunderttausende wehren sich gegen drastische Erhöhungen der Gaspreise. Ein pensionierter Richter hat als Erster eine Klage bis zum Bundesgerichtshof treiben können - und wird so zu Volkes Stimme.

Helmut Kerscher

Klaus von Waldeyer-Hartz ist ein freundlicher Herr aus Heilbronn, der sich auf seiner Internetseite als Liliputaner im Kampf gegen Riesen vorstellt. Er ist einer von Hunderttausenden, die gegen die drastischen Erhöhungen der Gaspreise kämpfen.

Dabei ragt er aus zwei Gründen aus dem bundesweiten Widerstand heraus: Zum einen ist er ein pensionierter Richter, zum andern hat er als Erster eine Gaspreis-Klage bis zum Bundesgerichtshof (BGH) treiben können. Im Februar feiert Klaus von Waldeyer-Hartz seinen 70. Geburtstag. Danach wird er noch knapp drei Wochen auf das BGH-Urteil warten müssen.

Gebanntes Warten

Erst am 14. März werde der Senat seine Entscheidung verkünden, erklärte BGH-Richter Wolfgang Ball am Ende der mündlichen Verhandlung. Vorher gebe es noch eine Verhandlung über die Höhe von Strompreisen, die das Gericht abwarten wolle.

Bis Mitte März werden also außer Waldeyer-Hartz auch viele Gaskunden und Versorgungsunternehmen "gebannt nach Karlsruhe starren", wie das Rechtsanwalt Bernd Kunth beschrieb. Am Tag der Urteilsverkündung werden vermutlich viele Verbraucher bereits mit saftigen Gasabrechnungen für das Jahr 2006 konfrontiert sein und inständig auf Hilfe hoffen.

Allzu hoch sollten ihre Erwartungen allerdings nicht sein. Eine spürbare Korrektur haben bisher weder die Bundesnetzagentur noch Kartellbehörden und Kartellgerichte bewirken können. So wird dies wohl auch ein "normales Zivilgericht" kaum zu Wege bringen.

Zu erwarten ist allerdings, dass der BGH in den Wirrwarr von vielen hundert Verfahren und Entscheidungen eine gewisse Ordnung bringt. Zumindest wird der BGH den Rahmen bestimmen, in dem Gerichte Gaspreise kontrollieren können.

"Der Richter rechnet nicht"

Der frühere Richter Waldeyer-Hartz hofft, dass seine aktiven Kolleginnen und Kollegen im speziellen Fall die Preisgestaltung der Heilbronner Versorgungs GmbH gründlich durchleuchten und dabei auch die Bindung des Gaspreises an den Preis für leichtes Heizöl beanstanden. Konkret prozessiert Waldeyer-Hartz gegen eine Preiserhöhung vom Oktober 2004 um rund zehn Prozent.

Demgegenüber bauen kleine und große Versorgungsunternehmen auf den alten Juristenspruch "Judex non calculat" ("Der Richter rechnet nicht"). Der Richter dürfe nicht in die Rolle des Preiskalkulators schlüpfen, sagt Anwalt Achim Krämer, der Gaslieferanten vertritt. Er verweist auf eine spezielle Schutzvorschrift im Kartellrecht - und auf das Geschäftsgeheimnis sowieso. Sein Mitstreiter Kunth warnte vor einer "gerichtlichen Preisgängelung".

Dreh- und Angelpunkt des Prozesses ist Paragraph 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der den Gerichten die Korrektur von einseitig bestimmten Leistungen erlaubt, wenn diese nicht angemessen sind.

Durch dieses Einfallstor ist der BGH bei Leistungen der Daseinsvorsorge schon oft geschritten und hat die Kontrolle der Tarife für Strom, Wasser und Abwasser, Fernwärme, Hausanschlusskosten und Krankenhauspflegesätze erlaubt. Es spricht viel dafür, dass der BGH auch die Gaspreise zur gerichtlichen Prüfung freigibt.

Dafür entschied sich übrigens auch das Landgericht Heilbronn, dem der Gaspreis-Rebell Waldeyer-Hartz früher angehörte. Es wies seine Klage dennoch ab, weil die Preiserhöhung ausreichend begründet worden sei, nämlich mit den gestiegenen Bezugskosten. Vielleicht steht ein solches Urteil im Stil des "Im Prinzip ja, aber . . ." auch am Ende des BGH- Prozesses.

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