Streit um Parteispitze bei der Linken:Linker Zerfallsprozess

Vor ihrem Parteitag ist die Linkspartei nichts weiter als eine instabile Fusion aus der ostdeutschen Identitätspartei PDS und dem westdeutschen Protestverein WASG - und sie ist dabei, in ihre Einzelteile zu zerfallen. Die Ironie der Geschichte: Die SPD kann das vielleicht verhindern. Denn echte Linke laufen dann zur größten Form auf, wenn sie sich gegen ihrer Meinung nach falsche Linke wenden können.

Kurt Kister

Wer in den siebziger Jahren an einer westdeutschen Universität studierte, der kennt das, was gerade in der Linkspartei passiert. Damals nämlich gab es in der studentischen Politik mindestens ein Dutzend kleine Gruppen, die alle irgendwie links waren, aber sich dennoch untereinander weder politisch noch menschlich leiden konnten.

Die Linke - Bundesparteitag

Aufbauarbeiten für den Bundesparteitag der Linken - doch die Partei ist dabei, zu zerfallen.

(Foto: dpa)

Die Trotzkisten fochten gegen die Maoisten, die Autarken mit Albanien-Sympathien gegen die Dogmatiker, die DKPisten überwarfen sich mit anderen dreibuchstabigen Splittergruppen. Niemand konnte so grandios uneins und selbstbezogen sein wie die Linke.

Heute gibt es eine Partei, die sich in Selbstüberschätzung den Gattungsbegriff als Eigennamen gegeben hat - die Linke. Viele ihrer Mitglieder verhalten sich wie damals die Hörsaalrevolutionäre, auch weil mancher Hörsaalrevolutionär a. D. heute in der Linkspartei ist. Allerdings ist das Sektierertum, das sich stets auch in Personalkonflikten äußert, nicht das Hauptproblem der Linkspartei. Sie ist vielmehr dabei, in zwei Teile zu zerfallen. Und, Ironie der Geschichte, die SPD kann das vielleicht verhindern.

Der starke, auch heute noch politisch relevante Teil der Linkspartei ist die PDS, also jene ostdeutsche Identitätsorganisation, die nach 1990 zu einer Art Selbstheilpartei für die Wunden der Einheit wurde. Diese PDS hat sich nach und nach zur einzigen ostdeutschen Regionalpartei entwickelt - links aus DDR-Tradition, pragmatisch bis hin zur Ideologievernachlässigung im Alltag.

Unter dem Eindruck von Schröders Agenda 2010 sowie der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 vereinigte sich die PDS nolens volens mit der aus Anti-SPD-Zellen erwachsenen WASG zur Linkspartei. Der besserwisserische Westen dominierte den beeindruckten Osten, was sich nicht zuletzt in der späten Karriere des Großnarzissten Lafontaine spiegelte, der auftrat, als sei er Rosa Luxemburg mit gelegentlichen Anflügen von Dieter Bohlen.

Eine große Koalition als Lazarus-Effekt

Je weiter sich aber die SPD zuerst von Schröder und dann von der Macht entfernte, desto stärker schrumpfte die begrenzte Popularität der Linkspartei im Westen. Ein Teil des Protestpotenzials, das 2005 und dann noch einmal 2009 der Linken zuflog, hat sich weiterbewegt zur nächsten Protestpartei, die noch protestlerischer ist, nämlich den Piraten.

Jenseits dieser Wähler aber ist die Zahl derer, die in Westdeutschland nach einer linken, gar einer sozialistischen Alternative suchen, gering - so gering, dass es zum parlamentarischen Überleben der Linkspartei in der alten Bundesrepublik nicht reichen wird. Der Beweis dafür: Ausgerechnet in der großen Euro-, Schulden- und Kapitalismuskrise verliert die Linkspartei an Stimmen.

Im Osten wird sich die PDS in der Linkspartei halten, eben weil sie dort einen Teil der Identität verkörpert, der immer weniger mit dem SED-Staat und immer mehr mit den durch 45 Jahre Teilung gewachsenen Unterschieden zu tun hat. Zwar wird die Partei auch dort schrumpfen, weil sich ihre überalterte Mitgliederschaft verringern wird. Aber sie wird mutmaßlich in den Ländern jenseits der Elbe zweit- oder drittstärkste Partei bleiben. Im Bundestag hat sie nur dann eine Zukunft, wenn sie konsequent auf ihre regionale Stärke setzt und sich nicht von den Träumen einer immer versprengter wirkenden Westlinken dominieren lässt.

Die Basis der früheren WASG erodiert. Echte Linke laufen dann zur größten Form auf, wenn sie sich gegen ihrer Meinung nach falsche Linke wenden können - so wie dies viele WASG-Gewerkschafter zwischen 2003 und 2009 taten. Damals hießen die Gegner Schröder, später die große Koalition, vor allem die SPD in dieser Koalition. Sollte es 2013 wieder eine große Koalition geben, könnte es sein, dass dies für die Linke im Westen einen Lazarus-Effekt bedeutet. Aber vielleicht würde nicht einmal der ausreichen, um die instabile Fusion der ostdeutschen Identitätspartei mit dem westdeutschen Protestverein zu retten.

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