Süddeutsche Zeitung

Streit um Panzerdeal mit Saudi-Arabien:Der heikle Handel mit dem tödlichen Exportschlager

Die Bundesregierung schweigt, die Opposition hält den Deal für "illegal": 200 schwere Kampfpanzer aus deutscher Produktion sollen nach Saudi-Arabien exportiert werden. Wer bestimmt die Regeln für Rüstungsgeschäfte? Welche strategische Rolle spielt Saudi-Arabien? Und warum ist das Geschäft so heikel? Antworten auf die wichtigsten Fragen zu dem großen Panzerdeal.

Kathrin Haimerl

Es gibt noch immer keine einzige offizielle Stellungnahme der Bundesregierung zu dem möglichen Milliardengeschäft, doch die Kritik wird immer lauter: Die Bundesregierung soll zugestimmt haben, 200 Leopard 2-Panzer an Saudi-Arabien zu liefern. Der Hersteller Krauss-Maffei Wegmann, bezeichnet den Typ 2 als den "Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts", das Kettenfahrzeug ist einer der Exportschlager der Bundesrepublik im Rüstungsgeschäft.

Vor der Entscheidung soll sich die schwarz-gelbe Koalition nach SZ-Informationen die Zustimmung Israels und der USA eingeholt haben. Die Regierung schweigt sich dazu aus, Grüne und Linke haben deshalb für diesen Mittwoch eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. Die wichtigsten Fragen zum mutmaßlichen Panzerdeal.

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Bei der Genehmigung von Waffenausfuhren ins Ausland muss die Bundesregierung die Rüstungsexportrichtlinien befolgen. Diese gehen auf einen Beschluss der rot-grünen Koalition im Jahr 2000 zurück. Das Regelwerk setzt der Regierung enge Grenzen bei der Genehmigung und hält sie an, "ihre Rüstungsexportpolitik restriktiv zu gestalten". Ausdrücklich verboten sind Exporte in jene Länder, "die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht" - Krisenregionen also. Exportgenehmigungen würden zudem "ausdrücklich nicht erteilt", wenn der Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter "zur internen Repression" oder zu "sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht" würden.

Die Exportrichtlinien schreiben vor, dass bei der Genehmigung politische und nicht wirtschaftliche Kriterien im Vordergrund stehen müssen. Berücksichtigt werden müsse unter anderem die Situation der Menschenrechte im Empfängerland. Industrieverbände beklagen einen Wettbewerbsnachteil. Zwar vereinbarten Union und FDP im Koalitionsvertrag von 2009: "Um faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu gewährleisten, wird eine Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik der anderen EU-Staaten auf hohem Niveau angestrebt." Die Richtlinien aus dem Jahr 2000 wurden bislang aber noch nicht verändert.

Dafür ist das Bundeswirtschaftsministerium zuständig. Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall. Als Kontroll- und Koordinationsgremium dient dabei der Bundessicherhitsrat, dem höchsten Organ für die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik. Es berät über Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und trifft seine Entscheidungen mit einfacher Mehrheit. Der Bundessicherheitsrat kann endgültig entscheiden, sofern nicht nach dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich ist.

Dem Rat gehören neun ständige Mitglieder an. Den Vorsitz hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU), stellvertretender Vorsitzender ist Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Weitere Mitglieder sind der Chef des Bundeskanzleramts (Ronald Pofalla, CDU), die Bundesminister des Auswärtigen (Guido Westerwelle, FDP), der Finanzen (Wolfgang Schäuble, CDU), des Inneren (Hans-Peter Friedrich, CSU), der Justiz (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP), der Verteidigung (Thomas de Maizière, CDU) und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Dirk Niebel, FDP).

Das Gremium unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle und ist deswegen in der Vergangenheit schon mehrfach in die Kritik geraten - etwa in Zusammenhang mit den Panzerlieferungen an die Türkei oder den U-Boot-Exporten nach Israel. Inhalte über die Sitzungen, Tagesordnungspunkte und Beschlüsse unterliegen strikter Geheimhaltung. Geheim bleibt auch das Abstimmungsverhalten.

Nach Ansicht vieler Kritiker verstößt der Deal mit Saudi-Arabien gegen die Rüstungsexportrichtlinien. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth etwa bezeichnete das Rüstungsgeschäft im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse als "schlicht und einfach illegal", Juso-Chef Sascha Vogt sagt, Profit stehe über Demokratie und Menschenrechten. Doch das Unbehagen reicht auch ins Regierungslager hinein: Innerhalb der Unionsfraktionsführung soll der Deal mehrheitlich auf Ablehnung gestoßen sein.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Fraktion, Erika Steinbach, sollen die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien thematisiert haben. Lammert habe darauf hingewiesen, dass die Saudis vor wenigen Wochen noch Panzer zur Niederschlagung von Demonstrationen im Nachbarstaat Bahrain eingesetzt haben. Der zweite Punkt, der insbesondere bei der Opposition auf Kritik stößt, ist das Schweigen der Bundesregierung zu dem Deal. Auf Antrag von SPD und Grünen ist das Rüstungsgeschäft deshalb an diesem Mittwoch Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Bundestag.

Saudi-Arabien hatte schon mehrmals Leopard-Panzer kaufen wollen, zum Beispiel Anfang der achtziger Jahre. Allerdings lehnte dies die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt mit Verweis auf eine mögliche Gefährdung Israels ab. Die Haltung der israelischen Regierung soll sich nun geändert haben: Nach SZ-Informationen soll die schwarz-gelbe Koalition die israelische Regierung im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat über die Pläne informiert haben.

Israel habe keine Bedenken angemeldet, hieß es aus Regierungskreisen. Mit den Panzerlieferungen wolle Deutschland Saudi-Arabien unterstützen, das nach den Umwälzungen in Ägypten und Tunesien der "letzte und wichtigste Stützpfeiler" in der Nahost-Region sei. Auch gebe es große Sorge vor einer Militäraktion Irans gegen Israel, verlautete aus den Kreisen weiter. Saudi-Arabien dürfte mit seiner Aufrüstung ohnehin das Regime in Teheran und dessen Atomprogramm im Blick haben.

In den vergangenen Jahren hat Deutschland seine Rüstungsexporte mehr als verdoppelt, wie aus einer Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes SIPRI hervorgeht. Der deutsche Weltmarktanteil stieg zwischen 2006 und 2010 auf elf Prozent, der Anstieg sei insbesondere auf den Handel mit deutschen U-Booten zurückzuführen. Damit stieg Deutschland auf Platz drei der wichtigsten Rüstungsexporteure auf. Noch mehr exportierten nur die USA mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent und Russland mit 23 Prozent.

Wichtigste Geschäftspartner der deutschen Rüstungskonzerne sind demnach die Türkei, Griechenland und Südafrika. In der Statistik erfasst sind ausschließlich schwere Waffen wie Panzer, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe - nicht jedoch leichte Waffen wie Gewehre, Pistolen oder Handgranaten. In der Studie gibt es dennoch Lob für die Bundesregierung. Bei Ausfuhren in Spannungsgebiete gehe die Bundesregierung sehr viel restriktiver vor als andere Länder, erklärten die Friedensforscher.

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