Streit um Mehrwertsteuer:"Tiefer Griff in die Mottenkiste"

"Falsches Signal", "perverse" Diskussion: CDU-Ministerpräsident Oettinger löst mit seinem Ruf nach höherer Mehrwertsteuer heftige Reaktionen aus - in den eigenen Reihen und beim politischen Gegner.

Die CDU-Spitze hat Gedankenspiele von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) über eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes scharf zurückgewiesen. "Steuererhöhungen gibt es mit uns nicht", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin. "Die Position der Parteiführung ist klar und eindeutig. Dabei bleibt es."

Streit um Mehrwertsteuer: Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger

(Foto: Foto: dpa)

Oettinger hatte der Süddeutschen Zeitung gesagt, eine Anhebung des ermäßigten Satzes sei denkbar. Jeder müsse sich entscheiden, ob er die gemeinsame Linie des Regierungsprogramms von CDU und CSU vertrete oder seine persönliche Meinung in Interviews verbreiten wolle, sagte Pofalla. Im Unions-Wahlprogramm stehe die Union für Wachstumspolitik und Steuerentlastungen.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bekräftigte angesichts der Debatte, er halte nichts von Steuererhöhungen: "Es wäre das falsche Signal in einer Zeit, in der wir eher über gezielte, machbare und verantwortbare Entlastungen der Leistungsträger nachdenken sollten", so Guttenberg in Berlin beim Tag des Deutschen Familienunternehmens. Über Steuererhöhungen zu debattieren, sei ein "tiefer Griff in die Mottenkiste". Er sprach sich im Gegenzug für Nachbesserungen bei der Erbschaftsteuer aus, dies wäre im Falle einer bürgerlichen Koalition nach der Bundestagswahl möglich.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lehnte die Diskussion um die Mehrwertsteuer grundsätzlich ab: "An dieser Debatte werde ich mich nicht beteiligen, weil die politischen Nebenwirkungen erkennbar größer sind als der beabsichtigte Nutzen", sagte der Regierungschef nach Staatskanzlei-Angaben in Magdeburg. Erst nach Beurteilung der weiteren konjunkturellen Entwicklung könne eine solche Debatte auf sachlicher Grundlage geführt werden.

Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle forderte die Union unterdessen auf, ihre Steuererhöhungsdebatte unverzüglich zu beenden. Schon die Debatte allein verunsichere Investoren und Konsumenten und erschwere den Weg, Deutschland durch Wachstum aus der Krise zu gesunden Staatsfinanzen zu führen.

"Der Staat hat kein Einnahmeproblem etwa durch zu niedrige Steuern, sondern ein Ausgabeproblem auch mit zu viel Steuergeldverschwendung", sagte Westerwelle. Deutschland brauche "einen Kassensturz mit mehr Ausgabedisziplin". Er appellierte an die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die Debatte mit einem Machtwort zu beenden.

Steinbrück: Union "blinkt auf beiden Seiten ihres Autos"

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warf der Union einen steuerpolitischen Schlingerkurs vor. "Man hat von der Union den Eindruck, sie blinkt auf beiden Seiten ihres Autos", sagte Steinbrück in Köln. Ein Teil der Union signalisiere einen Kurs in Richtung Steuersenkungen, ein anderer blinke mit Steuererhöhungen. "Das ist ziemlich verwirrend", kritisierte der SPD-Minister.

"Ich möchte spätestens nach der vierten Hochrechnung am 27. September von einem möglichen Koalitionspartner wissen, welche Vorstellungen er hat für die Einnahmeseite des Bundes", betonte der Minister, dessen Haushaltsentwurf für 2010 wegen der Weltwirtschaftskrise die höchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik vorsieht.

Steinbrück erinnerte daran, dass die Politik nach der letzten Bundestagswahl einen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten habe, nachdem eine Mehrwertsteuererhöhung zunächst ausgeschlossen und nach der Wahl dann doch umgesetzt worden sei. Er äußerte sich jedoch nicht konkret zur aktuellen SPD-Position. "Wir beteiligen uns an keinem Verwirrspiel."

Kuhn: Diskussion ist "pervers"

Die Grünen lehnten eine Anhebung der Mehrwertsteuer ausdrücklich ab. "Ich halte das nicht für zielführend", sagte Fraktionschef Fritz Kuhn der Ulmer Südwest Presse. Es sei "pervers, dass die Steuersenkungs-CDU in Berlin jetzt schon Steuererhöhungen diskutiert". Kuhn sagte weiter: "Wir bevorzugen, wenn es denn sein muss, einen höheren Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer und eine zeitlich befristete Abgabe auf größere Vermögen." Die, die mehr haben, sollten einen höheren Beitrag leisten.

Auch die Linke protestierte gegen eine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer und griff die Union stark an. Fraktionschef Oskar Lafontaine erklärte: "CDU/CSU lassen die Katze aus dem Sack: Die Ärmsten sollen die Zeche der Krise zahlen."

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