Streit um Karenzzeit:Juncker sieht keinen Interessenkonflikt in Barrosos Banker-Job

Goldman Sachs hires former EC President Barroso

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso (Bild von 2013) wird Berater der Bank Goldman Sachs.

(Foto: Olivier Hoslet/dpa)
  • Für seinen neuen Job bei Goldman Sachs musste der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso keine Genehmigung einholen.
  • Er habe die im Verhaltenskodex der Kommission vorgeschriebene Karenzzeit von 18 Monaten eingehalten, sagt ein Sprecher von Jean-Claude Juncker.
  • Abgeordnete wie Sven Giegold fordern jedoch eine längere Pause.
  • Für zusätzlichen Ärger sorgt eine Bemerkung Junckers über Zukunft des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz .

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die EU-Kommission sieht wegen des Wechsels ihres früheren Präsidenten José Manuel Barroso zur US-Investmentbank Goldman Sachs keinen Handlungsbedarf. Nach dem Verhaltenskodex der Kommission sei Barroso nicht verpflichtet gewesen, eine Genehmigung einzuholen, stellte der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker klar. Der Kodex schreibe lediglich eine Karenzzeit von 18 Monaten vor, binnen der frühere Kommissionsmitglieder neue Tätigkeiten anmelden und sie sich genehmigen lassen müssten. Barroso ist seit mehr als 20 Monaten nicht mehr im Amt.

Die Investmentbank hatte am Freitag bekannt gegeben, dass der frühere portugiesische Ministerpräsident als Berater und als nicht-geschäftsführender Präsident der Tochtergesellschaft Goldman Sachs International (GSI) in London für sie tätig wird. "Seine Perspektive, sein Urteil und sein Rat werden von großem Wert für den GSI-Aufsichtsrat, für Goldman Sachs, unsere Anteilseigner und unsere Leute sein", hieß es in einer Pressemitteilung.

Abgeordnete fordern strengere Regeln

Die französischen sozialistischen Abgeordneten im Europaparlament verurteilten Barrosos Schritt als "skandalös". Sie forderten eine Regelung, die früheren EU-Kommissaren den Gang zu Wirtschaftsunternehmen verwehrt. "Die Sprünge von der Politik in die Wirtschaft nähren die Zweifel an der Gemeinwohlorientierung der Politik. Wir brauchen dringend eine längere Karenzzeit für EU-Kommissare", forderte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Die Karenzzeit müsse auf drei Jahre erhöht werden.

Junckers Sprecher wies die Kritik zurück. "Die Kommission hat strenge Regeln, um Interessenkonflikte früherer Kommissare zu vermeiden, insbesondere verglichen mit vielen Mitgliedstaaten und anderen internationalen Organisationen", sagte er. "Wir alle erinnern uns an frühere Regierungschefs, die direkt in den privaten Sektor gewechselt sind ohne Prüfung möglicher Interessenkonflikte", fügte er hinzu - offenbar auch in Anspielung auf die Tätigkeit von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder für eine Tochtergesellschaft des russischen Gazprom-Konzerns.

Barroso habe Juncker im Nachhinein über seinen neue Tätigkeit informiert, sagte der Sprecher. Der Kommissionspräsident nehme grundsätzlich keine Stellung zu Entscheidungen seiner Vorgänger. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnte eine Stellungnahme ab. "Als erfahrener Politiker beurteile ich diese Frage gar nicht", sagte er in Brüssel.

Junckers Bemerkung über Zukunft von Schulz sorgt für Ärger

Für Ärger sorgte in Brüssel auch weiterhin die Frage nach der Zukunft von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Juncker hatte sich in einem Interview für eine weitere Amtszeit seines Freundes Schulz ausgesprochen. Dies sei allein Sache des Parlaments, betonten der Vorsitzende und die Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul (CDU) und Angelika Niebler (CSU) am Montag. "Wenn nun wider besseres Wissen der Eindruck erweckt wird, die Leitungsfunktionen in EU-Institutionen würden nach Gutsherrenart vergeben, dann untergräbt das die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz Europas", kritisierten sie.

Die Amtszeit von Schulz endet im Januar 2017. Junckers Sprecher sagte, er glaube nicht, dass der Kommissionspräsident "irgendwelche Versuche gutheißen würde, sein traditionell freies Denken zu beschränken".

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