Vertrauenskrise der EU:Merkel plant neue Schritte zur Euro-Rettung

"Wir brauchen mehr Verbindlichkeit": Die EU soll sich nach dem Willen von Bundeskanzlerin Merkel noch in diesem Jahr neu aufstellen. Dabei denkt sie nicht nur an die Finanzen. Auch politisch müsse sich einiges ändern. Im Streit um das islamfeindliche Schmähvideo hält sie ein Aufführungsverbot für denkbar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat weitere Schritte zur Euro-Rettung angekündigt. Im November werde ein EU-Sonderrat die mittelfristige Finanzplanung der EU bis 2014 beschließen, sagte Merkel am Montag in Berlin. Im Dezember sollten dann Vorschläge "beschlussreif vorliegen", wie es politisch in der Gemeinschaft weitergehe. Als Themen nannte die Bundeskanzlerin die Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht, die Frage, ob der Fiskalpakt in der jetzigen Form ausreiche, sowie eine bessere wirtschaftspolitische Koordinierung.

Merkel machte zugleich deutlich, dass die "demokratische Legitimation im Euro-Raum" gefestigt werden müsse. Zu beantworten sei die Frage, ob es eine "Gruppe der Euro-Staaten im Europäischen Parlament" geben müsse oder eine "stärkere Koordinierung der nationalen Parlamente" im Euro-Raum. Grundsätzlich gehe es ihr darum, die Vertrauenskrise in der EU zu überwinden. "Wir brauchen mehr Verbindlichkeit", sagte die Kanzlerin.

Kritik von Finanzminister Wolfgang Schäuble an öffentlichen Äußerungen von Bundesbank-Chef Jens Weidmann schloss sie sich nicht an. Merkel sagte, die Europäische Zentralbank EZB sei unabhängig, und das gelte auch für Weidmann, der als Bundesbank-Chef auch im EZB-Rat sitzt. Daher werde sie dessen Bemerkungen nicht kommentieren. "Jens Weidmann ist davon umgetrieben, dass wir die Schuldenkrise wirklich nachhaltig lösen", sagte sie. Da sehe er wie sie selbst im Wesentlichen die Politik am Zuge.

Weidmann hatte wiederholt in Interviews Kritik am Kurs der EZB geübt, notfalls unbegrenzt und gegen Reformauflagen Anleihen von Euro-Ländern zu kaufen, um die Zinsen zu drücken. Schäuble hatte gesagt, die öffentliche Ausbreitung der Differenzen im EZB-Rat fördere nicht das Vertrauen der Bürger in die Zentralbank. Merkel sagte, wenn interne Diskussionen in Facetten, aber auch nicht immer vollständig, nach außen getragen würden, sei das nicht in jedem Fall hilfreich. Dass der Bundesbank-Präsident sich in der öffentlichen Debatte äußere, sei selbstverständlich.

Eine Finanzierung von Staaten durch die EZB hält Merkel für ausgeschlossen. "Die Grenze ist sehr klar gezogen", sagte sie mit Blick auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die EZB dürfe keine Fiskalpolitik betreiben. Das entscheidende Problem in der Euro-Krise sei die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb müssten die Reformen in den Krisenstaaten fortgesetzt werden, sagte Merkel.

Merkel warnte davor, zu glauben, die Schuldenkrise könne mit einem Befreiungsschlag beendet werden. "Das wird nicht mit einem Paukenschlag geschehen", sagte sie. Eine Lösung könne nur schrittweise gelingen. In den vergangenen zwei Jahren sei in Europa mehr passiert als in vielen Jahren zuvor. Die Krise müsse vor allem politisch bewältigt werden. Dabei gehe es vor allem darum, die Beschlüsse auch umzusetzen, die man gefasst habe.

Die Kanzlerin stellte sich am Montag in einer großen Pressekonferenz den Fragen der Journalisten. Dies zählt zu den Ritualen im politischen Berlin. Ob Schuldenkrise, NSU-Pannen oder Energiewende - Themen, Streitfragen und Konflikte gibt es allemal, sogar in Hülle und Fülle. Und die nächste Bundestagswahl rückt näher.

Kanzlerin verteidigt Einreiseverbot

Im Streit um das islamfeindliche Video aus den USA hält Merkel es für denkbar, die öffentliche Aufführung in Deutschland zu untersagen. Die Behörden müssten prüfen, ob daraus erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit resultieren könnten, sagte Merkel. "Ich kann mir vorstellen, dass es dafür gute Gründe gibt." Dies müsse jetzt juristisch untersucht werden. Es gehe aber nicht um ein Verbot des Videos insgesamt.

Vertrauenskrise der EU: Angela Merkel und die Hauptstadtpresse: Die Kanzlerin bei ihrer traditionellen großen Pressekonferenz.

Angela Merkel und die Hauptstadtpresse: Die Kanzlerin bei ihrer traditionellen großen Pressekonferenz.

(Foto: AFP)

Die Kanzlerin unterstrich zugleich, Gewalt sei keine Methode, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. Der Schmähfilm hat eine Welle der Gewalt gegen westliche Einrichtungen in islamischen Staaten ausgelöst.

Merkel verteidigte das Einreiseverbot gegen den christlichen US-Prediger Terry Jones. "Wir sind ein Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, aber auch Schranken kennt", sagte sie. Die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro Deutschland", die auch das islamfeindliche Video in Deutschland zeigen will, hatte den Islam-Gegner Jones nach Deutschland eingeladen.

Merkel will Reformen bei Geheimdiensten

Im Atomstreit mit Iran hält Merkel eine Lösung am Verhandlungstisch für möglich. "Ich glaube, dass der politische Spielraum noch nicht ausgeschöpft ist", sagte sie. Zugleich machte sie deutlich, dass eine atomare Bewaffnung Irans nicht akzeptabel sei. Das wäre nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern der ganzen Welt. Einseitige Militäraktionen, wie sie Israel nicht ausschließt, will Merkel offensichtlich verhindern. "Ich will, dass wir international agieren, dass wir gemeinsam agieren", sagte die Kanzlerin, die eine politische Lösung in den Mittelpunkt der Anstrengungen rückte.

Im Hinblick auf die immer neuen dubiosen Verhaltensweisen der Geheimdienste bei der Aufklärung der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU räumte die Kanzlerin Probleme ein. "Die Aufklärung läuft an etlichen Stellen nicht so, wie wir das für richtig halten", sagte sie. "Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden." Es gebe an vielen Stellen Verbesserungsbedarf.

Bei der 2013 anstehenden Bundestagswahl will Merkel für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition kämpfen. Die Gemeinsamkeiten zwischen CDU/CSU und FDP seien im politischen Spektrum am größten, sagte sie. Eine große Koalition wollte sie nicht ausschließen. Allerdings werde sie "nicht darauf hinarbeiten", fügte die CDU-Vorsitzende hinzu.

Den angekündigten Rückzug von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) aus ihrem Kabinett bedauert Merkel. "Dass Ilse Aigner sich entschieden hat, in der nächsten Legislaturperiode für ein Landtagsmandat zu kandidieren, das ist die mögliche Mobilität, die man im politischen Leben immer mal aufweisen könnte und sollte - insofern bedauere ich das einerseits, anderseits wird sie uns nicht verlorengehen", sagte Merkel. Auf die Frage, ob es Zeit für eine bayerische Ministerpräsidentin sei, sagte Merkel: "Ich arbeite mit dem Ministerpräsidenten von Bayern gut zusammen."

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