Streit um Importverbot eskaliert:Kfor-Soldaten übernehmen Grenzübergang im Kosovo

Sie kamen mit Äxten und Molotowcocktails: Angehörige der serbischen Minderheit im Kosovo haben einen Grenzübergang nach Serbien verwüstet. Kosovo-Regierungschef Thaçi beschuldigt Belgrad, hinter den Angriffen zu stecken. Der Streit um die Einfuhr serbischer Waren eskaliert, die Kfor-Truppe greift ein.

Aufgebrachte Serben haben im Norden des Kosovo einen umkämpften Grenzposten in Brand gesteckt. Maskierte Angreifer verwüsteten am Mittwochabend den Grenzübergang Jarinje zur Nachbarrepublik Serbien. Über die Zahl der Angreifer herrscht Unklarheit - in Agenturberichten ist von mehreren Dutzend die Rede. Sie seien mit Brechstangen, Äxten und Molotowcocktails bewaffnet gewesen, außerdem sei auf Kfor-Truppen geschossen worden.

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Jarinje in Flammen: Der Streit um den Grenzposten zwischen dem Kosovo und Serbien eskaliert.

(Foto: AFP)

Inzwischen hat die Nato-geführte Schutztruppe Kfor den Grenzübergang sowie die "vollständige" Kontrolle über den Norden des Landes übernommen, bestätigte die kosovarische Regierung. Die Nacht verlief bis auf "vereinzelte Spannungen" weitgehend ruhig.

Der kosovarische Regierungschef Hashim Thaçi beschuldigte die serbische Regierung in Belgrad, hinter den gewaltsamen Ausschreitungen zu stehen. "Die Gewalttaten sind bestellt, geplant und geleitet von den höchsten Ebenen der serbischen Regierung", sagte Thaçi.

Auslöser des Konflikts ist ein Streit um den Warenverkehr zwischen beiden Ländern. Serbien erkennt die Unabhängigkeitserklärung seiner einstigen Provinz aus dem Jahr 2008 nicht an. Sie hatte damals neue Zollstempel mit der Aufschrift "Republik Kosovo" eingeführt. Serbien lehnt die Einfuhr von Gütern mit diesem Stempel ab. Zwar verbietet die Balkan-Freihandelszone Cefta (Central European Free Trade Agreement, Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen) Handelsblockaden, aber davon wollen die Regierungen in Belgrad und Pristina nichts wissen.

An den beiden Grenzübergängen Jarinje und Brnjak im Norden der Republik konnten serbische Waren bis vor kurzem ohne Probleme in den Kosovo eingeführt werden. Die serbisch dominierte Region gilt als ein Dorado für Benzinschmuggler, Autodiebe und Menschenhändler. Die Zentralregierung in Pristina hatte bislang kaum Einfluss. Am Montag ließ sie jedoch beide Posten von Einheiten der Spezialpolizei einnehmen, um "Recht und Ordnung" durchzusetzen und die Souveränität des Staates wiederherzustellen, wie es hieß.

Jarinje war vor drei Jahren schon einmal von aufgebrachten Serben niedergebrannt worden. Der serbische Staatspräsident Boris Tadic appellierte an seine Landsleute im Kosovo, ihre Angriffe einzustellen. Diese Gewalt schade den Interessen Serbiens. Die Regierung hofft, bis zum Jahresende den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu erhalten. Voraussetzung ist ein entspanntes Verhältnis zu der früheren serbischen Provinz Kosovo.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief Politiker in Belgrad und Pristina zu einer raschen Lösung des Konflikts auf. "Ruhe und Sicherheit für jeden müssen wiederhergestellt werden", sagte Ashton nach einer am Mittwochabend in Brüssel verbreiteten Mitteilung. "Gewalt wird niemals toleriert und einseitige Aktionen sind nicht der richtige Weg." Die Außenbeauftragte verurteilte die Gewalt und sprach von "inakzeptablen" Entwicklungen.

Der UN-Sicherheitsrat wird sich am Donnerstag auf Antrag Serbiens mit der Lage im Kosovo beschäftigen. Belgrad will erreichen, dass die gewaltsame Übernahme der beiden Grenzübergänge durch die Kosovo-Regierung verurteilt wird.

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