In den vergangenen Monaten war es um CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vergleichsweise ruhig geworden. Dobrindt ist einer dieser si-tacuisses-Politiker: Oft wäre es besser gewesen, wenn er geschwiegen hätte. Dass er den EZB-Präsidenten als "Falschmünzer" und die FDP als "Gurkentruppe" bezeichnete, löste auch im eigenen Lager Unmut aus.
Genauso wie Dobrindts Forderungen nach einem Verbot der Linkspartei oder einem Rauswurf der Griechen aus der Euro-Zone. Doch seit der CSU-Affäre um Anrufe beim ZDF, hinter denen manche den Generalsekretär vermuteten, hatte sich Dobrindt zurückgehalten. Bis zu diesem Sonntag.
"Die Union als Volkspartei hat die Aufgabe, der stillen Mehrheit eine Stimme zu geben gegen eine schrille Minderheit", sagte Dobrindt zum Streit um die Homo-Ehe in der CDU. "Zeitgeistgetriebene" und "Lobbyisten von Einzelgruppen" würden hier "ein völliges Zerrbild" vermitteln. Man sollte stattdessen besser die Stammwähler motivieren. "Der eine oder andere in der CDU" müsse sich bewusst machen, dass eine Volkspartei nicht erfolgreich sein könne, wenn sie konservative Positionen vernachlässige, sagte Dobrindt der Welt am Sonntag.
Dobrindt gilt als guter Stratege und Wahlkampf-Organisator
In seinem Furor verdammte er auch noch das Familiensplitting, für das sich die Ministerinnen Kristina Schröder und Ursula von der Leyen gerade ausgesprochen haben. Die CSU werde nicht zulassen, dass das Ehegatten- durch ein Familiensplitting ersetzt werde, verkündete Dobrindt. Dabei gilt das Familiensplitting vielen in der CDU doch als der Königsweg aus dem verhakten Streit um die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe.
Nun mag Dobrindt, der als guter Stratege und Wahlkampf-Organisator gilt, mit seinem Hinweis auf die Stammwähler sogar recht haben. Mit seiner Wortwahl löste er unter den Gleichstellungsbefürwortern in der CDU aber einen Sturm der Entrüstung aus, der Folgen haben könnte. "Eine intellektuelle Beleidigung" seien die Äußerungen Dobrindts, twitterte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn. Er forderte seine Fraktionsspitze auf, Abstimmungen über die Gleichstellung freizugeben.
Die Debatte lässt sich nicht mehr beenden - auch dank Dobrindt
Andere Abgeordnete sahen das ähnlich, wollten sich aber nicht zitieren lassen. Sie störten sich vor allem an dem Begriff "schrille Minderheiten", den sie als Beleidigung ihres Engagements auffassten. Und so kokettierten am Sonntag schon einzelne CDU-Abgeordnete mit der Möglichkeit eines parteiübergreifenden Gruppenantrags.
Das allein wäre für Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits unangenehm genug. Am Wochenende machten aber auch noch die Liberalen Druck. Bisher haben sie der Union zuliebe alle Anträge und Gesetzentwürfe der Opposition zur Gleichstellung abgelehnt. FDP-Generalsekretär Patrick Döring deutete jetzt aber an, dies könne ein Ende haben. Merkel hätte dann zum ersten Mal in einer Sachfrage keine Mehrheit mehr. "Bravo FDP!" kommentierte der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann die Ankündigung der Liberalen erfreut. Nun hätten "alle Verzögerer der Gleichstellung" in seiner Partei "ein echtes Problem".
Merkel hatte den Streit um die Gleichstellung vor einer Woche für beendet erklärt: Alles solle vorerst so bleiben wie es ist. Seit Sonntag scheint aber klar zu sein, dass sich die Debatte nicht mehr beenden lässt - auch dank Dobrindt.