Streit um "Herdprämie":Arbeitgeber und Gewerkschaften rebellieren gegen das Betreuungsgeld

Ungewohnte Einigkeit: Arbeitgeber und Gewerkschaften haben in einer gemeinsamen Stellungnahme das geplante Betreuungsgeld kritisiert. Auch innerhalb der Koalition bleibt das Vorhaben umstritten - CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe räumte ein, dass es noch "Klärungsbedarf" gebe.

Robert Roßmann

Der Widerstand gegen das von der Koalition geplante Betreuungsgeld wird immer größer. Am Montag sprachen sich auch Arbeitgeber und Gewerkschaften gegen die neue Familienleistung aus. In einer ungewöhnlichen gemeinsamen Stellungnahme erklärten die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das Betreuungsgeld sei "ein Rückschritt" und gefährde wichtige Ziele der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Familienpolitik. Es konterkariere "die Anstrengungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie". Der geplante Zuschuss an Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe schicken, schaffe den falschen Anreiz, sich aus dem Beruf zurückzuziehen und sei "auch nicht im Interesse derjenigen Kinder, die eine frühzeitige intensive Förderung benötigen".

DGB-Chef Michael Sommer forderte die Koalition auf, das Geld stattdessen in den Krippenausbau zu investieren. Es gebe noch immer 230.000 Krippenplätze zu wenig. Dadurch sei das Ziel der Bundesregierung in Gefahr, vom kommenden Jahr an für alle Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anbieten zu können. BDA-Präsident Dieter Hundt sagte, das Betreuungsgeld sei ein "grundverkehrtes Vorhaben". Es verschärfe den Fachkräftemangel. Die Regierung solle stattdessen "alles unternehmen, damit Frauen Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können".

Union und FDP haben sich darauf verständigt, an Eltern, die ihr Kind nicht in eine staatliche Krippe geben, vom Jahr 2013 an ein Betreuungsgeld zu zahlen. Es soll zunächst 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr betragen. Von 2014 an sollen 150 Euro für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr gezahlt werden.

Das Betreuungsgeld hatte die CSU als Gegenleistung für den Ausbau der Kinderkrippen durchgesetzt. Die FDP und immer größere Teile der CDU lehnen die neue Leistung ab. Der Bundesvorstand der CDU musste deshalb am Montag die eigentlich geplante Verabschiedung des neuen Heimatprogramms vertagen. Darin sollte unter anderem die Einführung des Betreuungsgeldes bekräftigt werden. Dagegen waren in den vergangenen Tagen vor allem Mitglieder der Frauenunion und die im Wahlkampf stehende NRW-CDU Sturm gelaufen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte nach der Vorstandssitzung, beim Betreuungsgeld gehe es "nur noch um das Wie und nicht mehr um das Ob". Er räumte jedoch ein, dass es noch "Klärungsbedarf" gebe. Über Details sei im Bundesvorstand nicht gesprochen worden, dies werde jetzt in der Unionsfraktion geschehen.

Dort gibt es jedoch erheblichen Widerstand. Bereits Ende März hatten 23 CDU-Abgeordnete in einem Brief an ihren Vorsitzenden Volker Kauder mitgeteilt, dass sie dem Betreuungsgeld im Bundestag nicht zustimmen werden. Auch die fraktionsinterne "Gruppe der Frauen" lehnt die neue Leistung ab. Kauder sagte der ARD, es werde "eine noch mal sehr intensive Diskussion" geben. Er denke aber schon, dass das "noch zu der Mehrheit führen" werde. CDU-Chefin Angela Merkel sagte am Montag nichts zu dem neuen Streit. Sie ließ ihren Regierungssprecher ausrichten: "Die Kanzlerin wird sich zu dem Gesetzentwurf dann äußern, wenn die Details wirklich alle ausgearbeitet vorliegen."

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