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Streit um Haushalt in Nordrhein-Westfalen:Rot-Grün in Düsseldorf könnte scheitern

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"Das hat uns alle kalt erwischt": Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen könnte an diesem Mittwoch vorzeitig zu Ende sein. Grund ist eine Vorentscheidung zum Haushalt: Sollte die Opposition den Etat ablehnen, stünde die Regierung vor dem Aus.

Bernd Dörries, Düsseldorf

In Nordrhein-Westfalen kommt es bereits an diesem Mittwoch zu einer Vorentscheidung über den Haushalt 2012 und damit über den Fortbestand der rot-grünen Minderheitsregierung. Die Landtagsverwaltung teilte am Dienstagabend überraschend mit, dass nach ihrer Rechtsauffassung bereits in der zweiten Lesung des Etats für jeden Einzelhaushalt der Ministerien eine Mehrheit notwendig sei; ansonsten sei der Etat gescheitert.

In allen fünf Fraktionen war man davor davon ausgegangen, dass die Einzeletats nicht unbedingt eine Mehrheit bräuchten, sondern allein die dritte Lesung des Gesetzes im Plenum Ende März die entscheidende sei. "Das hat uns alle kalt erwischt", sagte ein Landtagsabgeordneter. Bleiben CDU, FDP und Linke bei ihren ursprünglichen Ankündigungen, gegen den Etat zu votieren, käme es in Nordrhein-Westfalen wohl zu Neuwahlen. Am späten Dienstagabend war aber noch nicht klar, wie sich die einzelnen Fraktionen verhalten würden.

Der rot-grünen Minderheitsregierung von Hannelore Kraft (SPD) fehlt im Parlament eine Stimme zur Mehrheit. In den vergangenen Monaten hatte Rot-Grün sowohl mit den Linken als auch mit der FDP Gespräche über eine Einigung beim Haushalt geführt.

Die Liberalen verlangten einen härteren Sparkurs, die Linken hingegen höhere Ausgaben. Kraft war in den vergangenen Tagen aber recht sicher gewesen, eine Mehrheit im Landtag zu erreichen, da der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke mehrmals angedeutet hatte, dass er bereit sei, durch Enthaltung seiner Fraktion den Haushalt zu ermöglichen.

Neuwahlen strebt keine Partei im Landtag an, am diesem Mittwoch könnte sich die Politik aber dennoch in diese Richtung bewegen, weil sich vor allem die FDP in ihrer Strategie möglicherweise verspekuliert hat. Sie müsste einen vorzeitigen Urnengang am meisten fürchten, in Umfragen liegt sie derzeit bei drei Prozent.

Papke hatte zunächst vorgehabt, sich bis Ende März nicht auf eine Enthaltung (und damit die Ermöglichung) zum Haushalt festzulegen, um mit einer guten Verhandlungsposition Rot-Grün möglichst viele Zugeständnisse abzuringen - und seinen Schwenk vom erbitterten Gegner der Regierung zu ihrem Mehrheitsbeschaffer einigermaßen darstellen zu können.

Deshalb wollte die FDP an diesem Mittwoch gegen die Einzeletats stimmen, um in den Tagen bis zur dritten und letzten Lesung Ende März weiter mit Rot-Grün feilschen und beispielsweise eine Absenkung der Neuverschuldung erreichen zu können. Papke wollte am Dienstagabend nicht Stellung nehmen, wie sich die FDP zu dieser neuen Situation verhalten wird. Man wolle erst die schriftliche juristische Bewertung der Landtagsverwaltung abwarten, hieß es bei den Liberalen.

Die nun von der Verwaltung vorgetragene Auffassung ist nicht unumstritten. Deswegen bereiteten sich die Juristen der Landtagsverwaltung auf eine Nachtschicht vor. Warum eine solch gravierende Neubewertung des Etatrechts erst am Vorabend der Abstimmung bekannt gemacht wird, konnte am Dienstagabend niemand erklären.

Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) will die Plenarsitzung am Mittwoch mit einer Erläuterung der Rechtslage einleiten. Die Fraktionen wollten sich am Mittwochmorgen ebenfalls neu beraten. Die CDU-Fraktion plante, eine namentliche Abstimmung der Einzelpläne zu beantragen und will keinesfalls zustimmen. Bei den Sozialdemokraten hieß es, man werde sich bei einem Scheitern nicht auf wochenlange juristische Grabenkämpfe einlassen, sondern Neuwahlen anstreben.

Am Dienstagabend herrschte zwar eine gewisse Nervosität in der Düsseldorfer Landespolitik, ein Scheitern der Regierung und damit verbundene Neuwahlen konnte sich allerdings kaum jemand vorstellen, da sich ja nicht die Positionen der Akteure dramatisch verändert hatten, sondern vor allem die juristische Einschätzung der Landtagsverwaltung.

Am elegantesten könnten die Linken dafür sorgen, dass der Haushalt nicht scheitert. Sie hatten stets betont, ihre Basis über das endgültige Votum zu befragen, die entsprechenden Gremien sind aber erst für das Wochenende einberufen. Rot-Grün würden bei der Abstimmung im Plenum zwei Abgeordnete reichen, die dem Votum fernbleiben.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2012
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