Streit um Hartz-IV-Reform:Seehofer verteidigt Kompromiss

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Die von drei Ministerpräsidenten vorgeschlagene Anhebung des Regelsatzes um acht Euro stößt nicht nur der Union auf Widerstand - auch die FDP lehnt den Vorstoß ab.

Stefan Braun und Susanne Höll

Der Streit über die Reform der Hartz-IV-Regelsätze geht unvermindert weiter. Am Mittwoch lehnten die Bundestagsfraktionen von Union und FDP den jüngsten Kompromissvorschlag dreier Ministerpräsidenten ab. Eine weitere Erhöhung des Regelsatzes um acht statt um fünf Euro werde auf strikten Widerstand stoßen, hieß es aus Koalitionskreisen. Damit steht das gesamte Verfahren auf der Kippe.

Drei, deren Vorschlag spaltet: Die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Bayern, Kurt Beck (SPD, v.l.), Wolfgang Böhmer (CDU) und Horst Seehofer (CSU) am Rande einer Beratungsrunde zu den Hartz IV-Verhandlungen in der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt in Berlin. (Foto: dapd)

Der Riss verläuft nach dieser neuesten Wendung mitten durch die Koalition. Insbesondere die Unionsfraktion ist verärgert darüber, dass mit den Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) und Horst Seehofer (Bayern) zwei Unionspolitiker mit dem rheinland-pfälzischen Regierungschef Kurt Beck (SPD) eine zusätzliche Regelsatzerhöhung um drei Euro als Kompromiss vereinbart haben. "Das machen wir nicht mit", sagte ein Mitglied der Fraktionsführung der Süddeutschen Zeitung. CSU-Chef Seehofer verteidigte seine Position. Er sagte der SZ: "Ich bin überzeugt, dass es in der Sache und gemessen an den finanziellen Größenordnungen der richtige Weg ist."

Die CDU-Spitze und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hatten bislang eine weitere Erhöhung des Regelsatzes abgelehnt, weil sie dann das ganze Konzept gefährdet sehen. Und Kanzlerin Angela Merkel ließ am Mittwoch erklären, dass sich an dieser Sicht nichts geändert habe. Seehofer argumentiert dagegen, dass die mit Beck besprochene Erhöhung um acht statt um fünf Euro "keine Willkürrechnung" sei. Er beruft sich darauf, dass die Berechnungen von der Leyens auf der Preis- und Lohnentwicklung des Jahres 2009 beruhen, die Rechnung der drei Ministerpräsidenten aber auch die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2010 integrierte. Tut man das, dann steigt der Regelsatz automatisch um acht Euro.

Auch die FDP und ihr Parteichef Guido Westerwelle wandten sich strikt gegen den angestrebten Kompromiss. Das sei mit den Liberalen nicht zu machen, verlautete aus Führungskreisen. Bei einem neuen Anlauf in dieser Frage werde jeder "gegen eine Mauer laufen".

Die harte Linie der Koalitionsfraktionen erklärt sich nach SZ-Informationen mit einem großen Zorn auf die drei Ministerpräsidenten, die sich zu neuen Verhandlungsführern aufgeschwungen hätten. Verärgert ist Unionsfraktionschef Volker Kauder aber auch, weil es nach seiner Sicht vor Beginn der Vermittlungsinitiative der drei andere Absprachen mit der SPD gegeben habe. So habe am vergangenen Donnerstag SPD-Chef Sigmar Gabriel zugesagt, dass seine Partei auf eine Erhöhung der Regelsätze verzichte. Trotzdem sei das Thema tags darauf wieder aufgerufen worden. Am Mittwoch trafen sich Kauder und Gabriel. Dabei habe Kauder seinen Ärger kundgetan, ansonsten mit Gabriel aber nur vereinbart, dass sich am kommenden Sonntag um 16.30 Uhr eine größere Verhandlungsrunde in Berlin treffen werde.

Die SPD zeigte sich erstaunt darüber, dass die Koalition erst am Sonntag zu einem neuen Treffen bereit ist. In Parteikreisen erklärte man sich die Verschiebung mit den Differenzen in der Koalition. Mit dem Resultat des Ministerpräsidenten-Treffens am Vorabend zeigte sich die SPD äußerst zufrieden. Die Zugeständnisse beim Regelsatz und dem Bildungspaket seien mehr als man vor Tagen habe erwarten können, hieß es. Auf die Forderung nach rascher Gleichbezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten würde die SPD im Gegenzug verzichten. Auch will sie einen Kompromiss offenkundig nicht an der Frage einer festen Lohnuntergrenze für Leiharbeiter scheitern lassen.

© SZ vom 10.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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