Streit um Hartz IV:Billard um halb zehn

Showdown zwischen Regierung und SPD im Streit um Hartz IV: Vordergründig geht es um juristische Spitzfindigkeiten, tatsächlich aber nur ums Geld.

Heribert Prantl

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht geahnt, wie tückisch die Parteien den Streit um ein neues Hartz-IV-Gesetz führen werden. Ansonsten hätte es sein Urteil vom 9. Februar 2010 präziser gefasst. Die Richter haben zwar ein Grundrecht auf ein Existenzminimum geschaffen, es aber nicht buchstabiert. Nun spielt die Politik mit dem neuen Grundrecht Billard. Zwischendurch gehen die Verhandlungspartner mit dem Queue aufeinander los. Die Spielzüge sind kaum noch nachvollziehbar.

Die vom höchsten Gericht gesetzte Frist ist schon verstrichen. Ein sorgfältiges und gerechtes Gesetz, das rückwirkend in Kraft tritt, ist freilich besser als ein schnelles schlechtes. Es sieht aber danach aus, als ob die neuen Hartz-IV-Gesetze lange brauchen und schlecht sind. Bei den Verhandlungen am Sonntagabend wird sich der Streit ins Absurde steigern. SPD und CDU/CSU gehen mit Grundgesetzartikeln und Verfassungsgutachten in Stellung: Man streitet sich über den juristischen Weg, auf dem die Bildungspakete für Hartz-IV-Kinder transportiert werden sollen. Die Parteien werfen mit Formeln wie "Verbot der Mischverwaltung", "Kostenverantwortung" und "Konnexität" um sich. Das Ganze ist ein juristisches Ablenkungsmanöver. In Wahrheit geht es ums Geld und darum, wer künftig bei Hartz IV den Schwarzen Peter hat: Bund, Länder, Jobcenter oder Kommunen.

Es besteht zwar ein vager Konsens darüber, dass nicht die überlasteten Jobcenter die Bildungspakete auspacken sollen, sondern dass das vor Ort in den Gemeinden geschehen soll, weil die näher dran sind an den Familien, den Schulen und den Problemen. Wie aber kommt das Geld des Bundes zu den Kommunen? Die SPD will es ihnen via Artikel 91e Grundgesetz direkt zuleiten. CDU/CSU, FDP und Frau von der Leyen halten diesen Weg, den Artikel 91e weist (der eigens für die Grundsicherung geschaffen wurde) für verboten. Sie behaupten, man müsse das Grundgesetz ändern, um diesen direkten Weg zu wählen. Und warum ändert man es nicht? Weil es dafür, sagt von der Leyen, keine Mehrheit gibt. Warum nicht? Weil die FDP nicht mitmacht. Also will die Regierung das Geld an die Länder fließen lassen, zur Weitergabe an die Kommunen. Ein Streit um des Kaisers Bart? Mitnichten.

Beim Weg via 91e können die Kommunen ihre tatsächlichen Kosten vom Bund verlangen, Euro für Euro. Beim Weg, den die Regierung wählt, gibt es den im Haushalt ausgewiesenen Pauschalbetrag, den die Länder verteilen und um den sich die Kommunen dann raufen dürfen. Der Haushaltsansatz der Ministerin von der Leyen für Mittagessen in der Schule ist niedrig: Sie rechnet nur mit dreihunderttausend Mittagessen; mehr Geld steht halt dann nicht zur Verfügung. Beim Weg nach 91e kriegen die Kommunen zwar auch erst eine Pauschale, dürfen aber später konkret abrechnen. Da werden die wahren Kosten des Pakets klar; die Regierung will sie heimlich deckeln.

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