Streit um Gesetz zum Betreuungsgeld:Schröders Liste der Probleme

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Familienministerin Schröder legt ein Betreuungsgeld-Gesetz voll ungelöster Probleme vor. Fünf Ministerien rebellieren, die Gegner der "Herdprämie" wittern wieder Morgenluft. Eine Masse von Bedenken stehen gegen das Vorhaben.

Thorsten Denkler, Berlin

Viel Mühe hat sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, CDU, offenbar nicht gemacht. Anders lassen sich die massiven Bedenken aus fünf Ministerien gegen ihr Gesetz zum umstrittenen Betreuungsgeld kaum erklären. Dass drei FDP-Minister - Philipp Rösler (Wirtschaft), Daniel Bahr (Gesundheit) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz) - den Finger heben und Bedenken anmelden, mag noch der Tatsache geschuldet sein, dass die Freidemokraten ganz grundsätzlich mit dem Betreuungsgeld nichts anfangen können. Allein die Koalitionsdisziplin hält sie davon ab, noch massiver gegen das Lieblingsprojekt von CSU-Chef Horst Seehofer vorzugehen.

Dass aber Finanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, und zwischenzeitlich auch CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer Einspruch einlegen, erstaunt dann doch - zumindest auf den ersten Blick.

Auf den zweiten Blick aber zeigt das nur, dass etwas mit der Qualität des Gesetzes nicht stimmen kann. Schröder, die zuweilen schon Prügel einstecken muss, sobald sie nur den Mund aufmacht, hatte wohl wenig Interesse daran, ein ausgefeiltes und reibungsfreies Gesetz vorzulegen. Sie muss als zuständige Ministerin ausbaden, was Seehofer ihr eingebrockt hat. Das fördert nicht gerade die Motivation. Motto: Sollen doch die anderen die Streitpunkte selber aus dem Weg räumen.

Besonders klug ist das nicht. Für das Betreuungsgeld wird sie ohnehin in Mithaftung genommen, ob sie es will oder nicht. Wenn sie jetzt noch mit dem Gesetz schludert, dann verstärkt das zudem die Zweifel an ihrer Kompetenz.

Dennoch, die Gegner des Betreuungsgeldes wird es freuen. Die Liste der Probleme ist lang und größtenteils seit langem bekannt. Schröder hat sie nicht gelöst:

[] Verkehrsminister Ramsauer etwa will nicht mehr Euros für Wohngeld ausgeben, nur weil das Betreuungsgeld darauf nicht angerechnet wird, ganz im Gegensatz zu Hartz IV. Ramsauer befürchtete zunächst, dass das Wohngeld dann stärker nachgefragt wird. Er hat seine Bedenken inzwischen allerdings zurückgezogen - das Familien- und Verkehrsministerium haben sich über eine Umschichtung der Etats verständigt. In welcher Höhe das Wohngeld stärker beansprucht wird, kann allerdings noch nicht genau beziffert werden.

[] Finanzminister Schäuble wiederum will verhindern, dass einige Eltern zugleich Betreuungsgeld und Elterngeld bekommen. Es geht um eine Überschneidung von zwei Monaten. Ab dem ersten Geburtstag eines Kindes soll Betreuungsgeld gezahlt werden können. Das Elterngeld aber wird ab Geburt 14 Monate lang gezahlt.

[] Der Finanzminister will das Betreuungsgeld nicht schon vom 1. Januar an zahlen, sondern erst vom Sommer 2013 an.

[] Schäuble ist nicht klar, wie Schröder einwandfrei sicherstellen will, dass Eltern von staatlich geförderten Kita-Kindern kein Betreuungsgeld bekommen, berufstätige Eltern von Kindern in Tagespflegeeinrichtungen aber schon.

[] Zu ungenau ist Schäuble auch eine Härtfallregelung für Eltern, die Kinder wegen Krankheit vorübergehend in eine Kita geben. Diese sollen dann dennoch das Betreuungsgeld bekommen.

[] Für FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wiederum ist sachlich nicht begründet, wieso Eltern Betreuungsgeld bekommen sollen, wenn sie voll berufstätig sind, aber ihre Kinder nicht in einer Kita sondern etwa in einer Tagespflegeeinrichtung oder privat betreuen lassen.

[] Mit Fragezeichen versehen hat die Justizministerin auch die Stichtagsregelung. Zunächst nämlich soll von 2013 an nur für Kinder ab eins Betreuungsgeld fließen, erst im Jahr darauf für Kinder ab zwei. Das schließe viele Eltern völlig grundlos aus.

[] Und zu guter Letzt ist die Finanzierung noch immer nicht gesichert. Im Haushalt ist lediglich eine globale Mehrausgabe eingestellt. Keiner weiß, aus welchen Haushaltsposten die geschätzten 1,5 bis drei Milliarden Euro herausgeschält werden sollen. Das könnte sich noch als entscheidender Knackpunkt erweisen.

Derart viele Baustellen lassen den engen Zeitplan ins Schlingern kommen. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Dafür muss es schon am kommenden Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden. Doch angesichts der Probleme ist der 6. Juni "kaum zu halten", räumt ein Minister ein.

Das könnte allerdings auch Taktik sein. Die FDP etwa hat gerade wenig Lust, sich für ein Gesetz mit verhaften zu lassen, das in großen Teilen der Bevölkerung und bei allen Experten derart durchfällt. Die Strategie, in Manier einer Oppositionspartei öffentlich gegen das Betreuungsgeld zu stänkern, aber zuzustimmen, wenn es im Bundestag zum Schwur kommt, lässt sich ohne Glaubwürdigkeitsverlust kaum durchhalten. Das gilt übrigens auch für jene Gruppe von vor allem CDU-Frauen, die seit Wochen Sturm gegen das Projekt laufen.

Die Alternative lautet: verzögern und blockieren wo es geht. Im Verfahren bieten sich gewieften Taktieren noch viele Möglichkeiten, das Gesetz gar nicht erst zur Abstimmungsreife kommen zu lassen. Die Geldfrage ist dabei der wichtigste Hebel. Die Nettoneuverschuldung muss weiter sinken. Dieses Ziel hat oberste Priorität für die Koalition. Die Kosten für das Betreuungsgeld gehen also direkt zu Lasten anderer Haushaltstitel. Wenn die CSU-Minister nicht freiwillig das Geld rausrücken, dann könnte das noch ein zäher Kampf werden.

Der andere Hebel ist der Zeitfaktor. Wird das Gesetz erst nach der Sommerpause im Bundestag verabschiedet, dann muss es immer noch durch den Bundesrat. Die Länder können das Gesetz zwar grundsätzlich nicht verhindern, wie bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz. Aber sie können Einspruch einlegen und mit Mehrheit den Vermittlungsausschuss anrufen. In dem Fall wäre das Betreuungsgeld erstmal auf eine ganz lange Bank geschoben. Fraglich, ob das Gesetz dann pünktlich zum 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.

Sollte es dennoch gelingen, bleibt den Betreuungsgeldgegnern nur die Hoffnung auf einen Regierungswechsel. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits angekündigt, die Abschaffung des Betreuungsgeldes wäre nach einem Sieg bei der Bundestagswahl die erste Amtshandlung.

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