Süddeutsche Zeitung

Streit um Flüchtlinge:Griechenland beugt sich in der Flüchtlingskrise Druck aus Brüssel

  • Griechenland hat sich bereit erklärt, seinen Verpflichtungen in der Flüchtlingskrise besser nachzukommen.
  • Unter anderem will die griechische Regierung zulassen, dass Frontex-Mitarbeiter an der Grenze zu Mazedonien bei der Registrierung von Flüchtlingen helfen.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Brüssel, und Mike Szymanski, Istanbul

Nach starkem Druck der Europäischen Union hat Griechenland sich bereit erklärt, seinen Verpflichtungen in der Flüchtlingskrise besser nachzukommen. Wie die EU-Kommission am Donnerstagabend mitteilte, erfüllt die Regierung in Athen drei Forderungen, die seit Längerem an sie gestellt worden waren.

So will sie zulassen, dass Beamte der EU-Grenzschutzagentur Frontex künftig an der Grenze zu Mazedonien bei der Registrierung von Flüchtlingen helfen. Schon kommende Woche soll zusätzliches Personal entsandt werden. Zweitens gestattet Athen den Einsatz einer schnellen Eingreiftruppe der EU zum Schutz seiner Grenze in der Ägäis. Und drittens aktivierte die griechische Regierung den "Zivilschutzmechanismus" der EU und kann nun mit Zelten, Betten, Generatoren, Erste-Hilfe-Sets und anderen Hilfsmitteln zur Versorgung der Flüchtlinge ausgestattet werden.

Griechenland war von mehreren Seiten bedrängt worden, beim Grenzschutz und bei der Registrierung von Flüchtlingen endlich Hilfe der EU anzunehmen. Der Unmut war so groß, dass die EU-Staaten erwogen, an ihren Grenzen Reisende aus Griechenland für längere Zeit wieder zu kontrollieren. Über einen entsprechenden Vorschlag hatten die EU-Innenminister an diesem Freitag in Brüssel diskutieren wollen. Am schärfsten formuliert hatte die Kritik der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Es sei "höchste Zeit", Griechenland aus der Schengen-Zone zu werfen, sagte er am vergangenen Sonntag, so dächten in Wahrheit alle Mitgliedstaaten.

Zuvor war bereits von einem "Schexit" die Rede

Hinter den Kulissen wurde in Brüssel angedeutet, dass Athen kein ehrliches Interesse an einer regelkonformen Registrierung der Flüchtlinge habe und die Menschen lieber passieren lasse. Beim Innenminister-Treffen wollte die luxemburgische Ratspräsidentschaft ein Papier vorlegen, in dem erwogen wird, für maximal zwei Jahre wieder Personenkontrollen einzuführen, wenn es ein Staat trotz EU-Hilfe nicht schafft, die Schengen-Außengrenze zu sichern. Dies wäre auf eine Schengen-Suspendierung Griechenlands hinausgelaufen, einen Schexit.

Es gehe nicht darum, jemanden rauszuwerfen, sagte der luxemburgische Außenminister und amtierende Ratspräsident Jean Asselborn der SZ. "Es geht darum, das zu verhindern." Beim Aufbau der Erstaufnahmezentren in Griechenland seien Fortschritte zu verzeichnen, noch immer würden aber zu viele Flüchtlinge nach der Überfahrt von den Inseln aufs Festland "verschwinden". Kritisch äußerte er sich über das von der EU-Kommission und Berlin forcierte Vorhaben, Flüchtlinge direkt aus der Türkei auf freiwilliger Basis auf EU-Staaten zu verteilen. Priorität müsse die kaum umgesetzte Verteilung von 160 000 Flüchtlingen in der EU haben.

Die EU-Kommission hat für diesen Freitag die europapolitischen Chefberater der Regierungschefs eingeladen, um über die direkte Aufnahme von Flüchtlingen zu sprechen. Auf deutsche Initiative hatte es am Rande des jüngsten EU-Türkei-Gipfels eine Beratung von neun Regierungschefs dazu gegeben.

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SZ vom 04.12.2015/jps
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