Süddeutsche Zeitung

Streit um den Länderfinanzausgleich:Warum sich Bayern mit starken Worten zurückhalten sollte

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Wie manches im föderalen System ist auch der Länderfinanzausgleich aus dem Ruder gelaufen. Wenn Bayern allein mehr als die Hälfte der Transfersummen bezahlt, stimmt etwas nicht. Doch sollte das bajuwarische Neureichentum nicht so weit gehen, die Empfänger als Schmarotzer hinzustellen - zumal der Freistaat selbst lang genug mit offenen Händen genommen hat.

Joachim Käppner

Eine der schönsten Rollen des Schauspielers Mario Adorf war jene des rheinischen Großindustriellen Heinrich Haffenloher in "Kir Royal". Haffenloher hat es verstanden, Geld zu machen. Nun will er Spaß haben und reist zu denen, die verstehen, Geld auszugeben, die Schönen und Schicken in München nämlich. Als aber der Klatschreporter Baby Schimmerlos ihn nicht wie gewünscht in die Gesellschaftskolumne bringt, spricht Haffenloher legendäre Worte: "Ich sch . . . dich zu mit meinem Geld. Ich schick dir jeden Tag einen Koffer voll Cash. Und irgendwann gehörst du mir."

1986, als diese vergnügliche Szene gesendet wurde, bekam Bayern selbst noch Koffer voll Cash - aus dem Länderfinanzausgleich nämlich. Seit 1950 hatte es am Tropf der reichen Länder gehangen, etwa Nordrhein-Westfalens, wo der Rauch der Schwerindustrie den Himmel verdunkelte. Anders gesagt: Bayern wurde seiner Verantwortung für künftige Generationen nicht gerecht. Es verletzte den Solidargedanken. Ihm fehlten die Anreize, ordentlich zu wirtschaften: So jedenfalls reden heute CSU-Politiker über jene Länder, die nicht Geber sind wie nun Bayern.

Heute sitzt das Geld im Süden, und wie Heinrich Haffenloher denkt sich ein Mann wie der CSU-Generalsekretär: Wer bezahlt, der bestimmt. Alexander Dobrindt oder Bayerns Finanzminister Markus Söder verkörpern jenes bajuwarische Neureichentum, das von den realen Problemen der meisten Deutschen nur wenig weiß, sich ihnen selbst aber als Vorbild empfiehlt. Ein Land, das erst jahrzehntelang mit offenen Händen nimmt und dann die Nehmer als Schmarotzer hinstellt, hat allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Wie manches im föderalen System ist freilich auch der Länderfinanzausgleich aus dem Ruder gelaufen. Wenn Bayern mehr als die Hälfte der Transfersummen allein bezahlt, stimmt etwas nicht. Sinn und Zweck des Ausgleichs war es ja, ruinöse Standortwettbewerbe zwischen den Bundesländern zu vermeiden. Auch sollte er den Föderalismus nach den Schreckensjahren des totalitären Zentralstaates mit Leben und Gemeinsinn erfüllen.

Inzwischen ist das System eine Umverteilungsmaschine geworden, deren Innenleben kaum zu durchblicken ist. Die komplexe Materie macht es der CSU leicht, das Prekariat der Ländergemeinschaft anzuprangern, das der bayerische Arbeitnehmer mit seinen Steuergeldern durchzufüttern habe. Ganz so ist es aber nicht: Rechnet man andere Transfertöpfe wie die Mehrwertsteuer oder die Verteilung von Bundesmitteln für Verkehr und Forschung hinein, steht Bayern besser da.

Das Problem liegt im Föderalismus

Den starken Worten aus München werden schwerlich Taten folgen. Im Bundesrat bilden die derzeit zwölf Nehmerländer eine Macht, an der nichts vorbeiführt. Die oft angedrohte Verfassungsklage ist risikoreich, da Karlsruhe schon in der Vergangenheit das bestehende System, in dem alle für alle haften, nicht in der Substanz antasten wollte.

Das Problem liegt nicht bei einzelnen Sündern, sondern in diesem System. Was immer man Kritisches zum Finanzgebaren und der Verschuldung etwa Nordrhein-Westfalens bemerken mag, es ist albern, daraus einfach auf gutes Wirtschaften (CSU) und schlechtes (Rotgrün in Düsseldorf) zu schließen. Die der Misswirtschaft bezichtigten Stadtstaaten etwa - Berlin und Bremen als ärmste Schlucker - klagen über ein Steuerwesen, das die Flucht in den Speckgürtel begünstigt. Ihnen fehlen dann Lohnsteuereinnahmen, auf den Kosten für Infrastruktur und Sozialleistungen aber bleiben sie sitzen.

Der Föderalismus insgesamt gehört auf den Prüfstand - und genau das wird geschehen, wenn der Länderfinanzausgleich 2019 ausläuft und dann die Schuldenbremse in Kraft tritt. Bayern aber wird den Weg des Ausgleichs suchen müssen. Selbst Heinrich Haffenloher sagte am Schluss seiner Tirade von der Macht des Geldes: "Mensch Baby, ich will doch nur dein Freund sein."

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SZ vom 08.02.2012
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