Streit um das Betreuungsgeld:Grüne fordern "Task-Force Kita-Ausbau"

Eine Studie aus Norwegen regt die Betreuungsgeld-Debatte von Neuem an: Die SPD sieht sich durch die Daten bestätigt, Grünen-Fraktionschefin Künast fordert von Familienministerin Schröder noch vor der Sommerpause eine Task-Force und einen Fünf-Punkte-Plan.

Tanjev Schultz

Wochenlang wogt die Debatte um das Betreuungsgeld hin und her, alle Argumente, könnte man meinen, sind schon längst vorgetragen worden. So kommt es, dass auf der verzweifelten Suche nach Neuem sogar eine OECD-Studie aus Paris, in der es eigentlich um Norwegen geht, in Berlin größere Wellen schlagen kann. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte am Montag eine Expertise zur Integration von Einwanderern in der Schweiz, Österreich und Norwegen. Darin macht sie, eher beiläufig, das norwegische Betreuungsgeld dafür verantwortlich, dass in dem Land überdurchschnittlich viele Einwanderer ihre Kinder nicht in einen Kindergarten schicken. Und schon geht die deutsche Debatte von vorne los.

Betreuungsgeld

Überdurchschnittlich viele Kinder von Einwanderern in Norwegen besuchen keinen Kindergarten. Angeblich sei das Betreuungsgeld dafür verantwortlich, heißt es in einer Studie.

(Foto: dpa)

Die SPD sieht sich durch die Daten aus Norwegen bestätigt und bezeichnet das Betreuungsgeld als "Hemmschuh für eine gute und frühe Integration von Kindern". Die CSU hingegen nennt die Einwände der OECD "unqualifiziert". Und auch das Bundesfamilienministerium weist die Kritik pflichtschuldig zurück: Die Ergebnisse aus Norwegen ließen sich nicht auf Deutschland übertragen. Denn das Betreuungsgeld in dem skandinavischen Land sei höher als die hierzulande geplanten 150 Euro im Monat. Die neue Leistung soll in Deutschland nur für ein und zwei Jahre alte Kinder gezahlt werden, und Hartz-IV-Empfänger könnten nicht davon profitieren. Anders als in Norwegen hätten deshalb arme Familien, zu denen Einwanderer oft gehören, keinen Anreiz, zugunsten des Betreuungsgeldes zu Hause zu bleiben.

"Kristina Schröder muss ihre ideologischen Abwehrschlachten beenden"

Für die Grünen setzt der Gesetzesentwurf, der am Freitag erstmals im Bundestag beraten wird, aber in jedem Falle falsche Prioritäten. Die 1,2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld in Deutschland jährlich kosten würde, wollen sie lieber in Betreuungsplätze investieren. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fordert eine "Task-Force Kita-Ausbau" von Bund, Ländern und Kommunen. Diese sollte noch vor der Sommerpause gebildet werden. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) müsse ihre "ideologischen Abwehrschlachten umgehend beenden und handeln", sagte Künast der Süddeutschen Zeitung. Nötig sei ein Fünf-Punkte-Plan: Er soll außer Geld den Abbau bürokratischer Hürden beim Bau neuer Krippen und Kindergärten beinhalten. Kommunen, die einen besonders hohen Bedarf an Plätzen für unter Dreijährige haben, benötigten schnell Hilfe. Zudem sei die Qualitätssicherung zu beachten, und der Bund müsse die Länder bei der Ausbildung von Erzieherinnen unterstützen, forderte Künast.

In ihrer Studie mit dem Titel "Jobs for Immigrants" (Arbeitsplätze für Einwanderer) betont die OECD, wie wichtig eine frühe Förderung der Kinder von Einwanderern ist. Die Autoren kritisieren, dass ein Betreuungsgeld bei Müttern den Anreiz schaffe, zu Hause zu bleiben.

Auch erwerbstätige Eltern können das Betreuungsgeld erhalten

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Eltern von Beginn des kommenden Jahres an ein Betreuungsgeld bekommen können, wenn sie ihr Kleinkind nicht von einer staatlich bezuschussten Kindertagesstätte oder Tagesmutter betreuen lassen. Im ersten Jahr sollen zunächst nur die Eltern von einjährigen Kindern unterstützt werden, mit monatlich 100 Euro. Von 2014 an soll es auch Geld für Zweijährige geben und das Betreuungsgeld auf dann 150 Euro erhöht werden. Wie das Familienministerium betont, können Mütter und Väter beide erwerbstätig sein und dennoch das Betreuungsgeld erhalten, beispielsweise wenn ihnen die Großeltern oder Au-pair-Mädchen helfen.

In Thüringen existiert bereits seit 2006 ein Betreuungsgeld auf Landesebene; der frühere Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) hatte es eingeführt. Nun dringt die SPD in Thüringens großer Koalition darauf, diese Leistung wieder abzuschaffen. "Das Geld wird dringend gebraucht beim Kita-Ausbau", sagt der stellvertretende Ministerpräsident Christoph Matschie (SPD). Die Erfahrungen mit dem Betreuungsgeld seien schlecht. Ärmere würden wegen des Geldes dazu neigen, ihr Kind zu Hause zu lassen. Das Betreuungsgeld sei bildungspolitisch schädlich und schwäche den Arbeitsmarkt, argumentiert Matschie. Die neue Studie der OECD müsse für die Union ein Anlass sein, bei dem Thema einzulenken. Die CDU dürfe sich nicht weiter von CSU-Chef Horst Seehofer treiben lassen, sagt Matschie. In der Bundesregierung hatte die CSU darauf bestanden, das Betreuungsgeld einzuführen.

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