Süddeutsche Zeitung

Streit um Ceta:Gabriel rügt "neunmalkluge EU-Technokraten wie Oettinger"

  • SPD-Chef Sigmar Gabriel kontert Vorwürfe von EU-Kommissar Günther Oettinger, die Sozialdemokraten hätten das Freihandelsabkommen Ceta torpediert.
  • Ohne das "Engagement der Politik vor Ort wäre Ceta nie mehrheitsfähig gewesen", sagt Gabriel.

Während das Freihandelsabkommen Ceta im Verhandlungsschlamassel feststeckt, beschäftigen sich EU-Kommissar Günther Oettinger und SPD-Chef Sigmar Gabriel mit der Schuldfrage. Oettinger hatte am Samstag die Einmischung der SPD beklagt und sarkastisch gefragt: "Wollen wir jetzt noch den Kirchengemeinderat von Biberach befragen?" Gabriel konterte am Sonntag: "Wenn die Kirchengemeinde von Biberach Fragen hat, muss man auch dort zuhören und Antworten geben, wenn man wissen will, was die Menschen umtreibt."

Ohne das "Engagement der Politik vor Ort wäre Ceta nie mehrheitsfähig gewesen", sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. Die Ignoranz mancher EU-Kommissionsvertreter gegenüber den Fragen und Sorgen in der Bevölkerung hätten den Abschluss von Abkommen wie Ceta so schwierig gemacht und machten ihn weiterhin schwierig. Am wenigsten dafür getan, dass Ceta einigungsfähig werde, hätten "neunmalkluge EU-Technokraten wie Günther Oettinger".

Verhandlungsführer bei EU-Freihandelsabkommen ist eigentlich die Brüsseler Kommission. Unter anderem auf Druck aus Berlin hin war Ceta vor einigen Monaten als Vertrag eingestuft worden, dem nicht nur das Europaparlament, sondern auch der Bundestag und andere nationale Parlamente zustimmen müssen.

Das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Abkommen droht auf den letzten Metern zu scheitern, da die belgische Wallonie sich dagegen sperrt. Die von hoher Arbeitslosigkeit geprägte Region befürchtet vor allem Nachteile für die Landwirtschaft und eine Absenkung von Sozialstandards. Zudem gibt es innenpolitische Zwistigkeiten in Belgien.

EU-Kommissar Günther Oettinger hatte in einem Interview den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, er könne nicht verstehen, "dass die deutschen Sozialdemokraten einen Parteikonvent abhalten und eine Mitentscheidung bei Ceta beanspruchen". Mitgliedstaaten, die das Thema an sich ziehen wollten, seien schuld daran, dass Kanada an der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zweifle.

Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland hatte am Freitagnachmittag die Verhandlungen mit Wallonien abgebrochen. Sie sagte: "Es scheint für mich und Kanada offensichtlich, dass die Europäische Union derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen abzuschließen."

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