Streit um Brüderle-Brief:Grüne werfen FDP unzulässige Wahlwerbung vor

Hat Rainer Brüderle mit einem Schreiben gegen die Regeln der Parteienfinanzierung verstoßen? Die Grünen halten die Postwurfsendung des FDP-Fraktionschefs angesichts der anstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für unzulässig. Nun hat sich die Bundestagsverwaltung in den Fall eingeschaltet.

Peter Blechschmidt und Bernd Dörries

Ein Werbebrief der FDP-Bundestagsfraktion belastet den Landtagswahlkampf der liberalen Landesverbände in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Die Bundestagsverwaltung kündigte am Donnerstag an, mit einer "Sachverhaltsklärung" prüfen zu wollen, ob das Schreiben von Fraktionschef Rainer Brüderle einen Verstoß gegen die Regelungen zur Parteienfinanzierung darstellt.

Brüderle fordert in einem Brief an ausgewählte Haushalte in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein ein Ende der Verschuldungspolitik in Deutschland; das Schreiben wurde aber auch in anderen Ländern zugestellt. "Staatsschulden sind das süße Gift der Politik", schreibt Brüderle. Ein Verweis auf die anstehenden Landtagswahlen findet sich nicht, die Haushaltspolitik ist aber in Nordrhein-Westfalen zentrales Thema des liberalen Spitzenkandidaten Christian Lindner.

Vor allem die in Umfragen schwächelnden nordrhein-westfälischen Grünen protestieren nun. "Wir haben große Zweifel daran, dass die Spielregeln eingehalten worden sind", sagte die Landesvorsitzende Monika Düker. Die Grünen haben beim Parteienrechtler Martin Morlok ein Gutachten in Auftrag gegeben, und der kommt zur Auffassung, dass die FDP mit dem Brief eine "unzulässige" Wahlwerbung aus Steuermitteln betrieben habe.

"Fraktionen dürfen nur über ihre Arbeit informieren", sagte Morlok am Donnerstag in Düsseldorf. Die Bundestagsfraktion dürfe nicht mit staatlichen Zuwendungen in Landtagswahlkämpfe eingreifen. Genau dies tue der Brief aber, da er sich nicht an das Gebot halte, in Wahlkampfzeiten Zurückhaltung zu üben. Die FDP hatte über den Dienstleister Deutsche Post die Briefe an ausgewählte Haushalte verschickt, wollte sich aber nicht zu Umfang und Kosten äußern. Der nordrhein-westfälische Kandidat Lindner sagte, die Aktion sei bereits im Januar, also vor den Neuwahlen, geplant gewesen.

Die Grenze der Zulässigkeit nicht überschritten

In der FDP-Fraktion versteht man die Aufregung nicht. "Als Bundestagsfraktion haben wir die Aufgabe, die Bevölkerung regelmäßig über die Arbeit unserer Abgeordneten im Deutschen Bundestag zu informieren", sagt Fraktionssprecherin Beatrix Brodkorb. Die Fraktion sehe sich durch zwei unabhängige wissenschaftliche Stellungnahmen bestätigt. So habe der Tübinger Rechtsprofessor Martin Nettesheim eindeutig festgestellt, dass die Informationskampagne vom April 2012 "eine zulässige öffentlichkeitswirksame Maßnahme" im Sinne des Abgeordnetengesetzes gewesen sei.

Der Stuttgarter Rechtsprofessor Christofer Lenz kommt in einer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass der Brief die in der Rechtsprechung etablierte Grenze zu zulässiger Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen nicht überschreite. Das Schreiben enthalte Aussagen zur Schuldenpolitik auf der Ebene des Bundes, aber nicht zur Schuldenpolitik Nordrhein-Westfalens oder anderer Länder. Auch Lenz verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass die Informationskampagne geplant worden sei, bevor der Landtag aufgelöst und Neuwahlen angesetzt worden seien.

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