Streit um Bruderschaft:"Pius-Brüder wollen einen katholischen Gottesstaat"

Holocaust-Leugner Williamson weigert sich zu widerrufen. Politologen wollen die Pius-Bruderschaft vom Verfassungsschutz beobachten lassen.

In der Kontroverse um den Holocaust-Leugner Richard Williamson wird die Kritik an der erzkonservativen Pius-Bruderschaft in Deutschland schärfer. Der Bonner Politikwissenschaftler und Parteienforscher Gerd Langguth hält die Pius-Bruderschaft für einen "Fall für den Verfassungsschutz".

Streit um Bruderschaft: Priester der Piusbruderschaft: Die Diskussion um die Gemeinschaft beschädigt das Vertrauensverhältnis zwischen Papst und  Katholiken.

Priester der Piusbruderschaft: Die Diskussion um die Gemeinschaft beschädigt das Vertrauensverhältnis zwischen Papst und Katholiken.

(Foto: Foto: dpa)

Die Bruderschaft strebe einen "katholischen Gottesstaat an", sagte Langguth im ZDF. "Es ist eine Frage des Verhältnisses dieser Organisation zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung. Und dieses sehe ich hier infrage gestellt. Deswegen glaube ich, dass es eine Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, sich darum zu kümmern."

Erneute Exkommunikation Williamsons möglich

Papst Benedikt XVI. hatte die Exkommunikation gegen den Holocaust-Leugner Richard Williamson und drei andere Bischöfe der Pius-Bruderschaft zurückgenommen und damit Kritik innerhalb und außerhalb der Kirche ausgelöst. Am Mittwoch hatte der Vatikan Williamson aufgefordert, er solle seine Äußerungen zum Holocaust öffentlich und eindeutig widerrufen.

Der umstrittene Bischof weigerte sich jedoch, dies zu tun. Er wolle zunächst die historischen Beweise prüfen, sagte der Katholik dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen", fügte Williamson hinzu.

Williamson hatte in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen gesagt, er denke, dass "200.000 bis 300.000 Juden in den Konzentrationslagern gestorben" seien, aber "nicht ein einziger von ihnen in Gaskammern".

Der umstrittene Bischof erneuerte gegenüber dem Spiegel seine Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil. Die daraus hervorgegangenen Texte seien zweideutig, dies führe "zu diesem theologischen Chaos, das wir heute haben". Mit Blick auf die Pius-Bruderschaft erklärte Williamson, er wolle unter keinen Umständen "die Kirche und die Bruderschaft" weiter beschädigen.

Der ehemalige Schüler und Weggefährte des Papstes, der emeritierte Regensburger Theologieprofessor Wolfgang Beinert, bezeichnete die Pius-Bruderschaft im ZDF als "reaktionär und demokratiefeindlich". Er halte es für "absolut ausgeschlossen, dass die Bruderschaft die Forderung des Papstes erfüllen wird, das Zweite Vatikanische Konzil anzuerkennen".

Nach Ansicht des Trierer-Kirchenrechtlers Peter Krämer wäre die erneute Exkommunikation Williamsons möglich. Das päpstliche und bischöfliche Lehramt habe die Pflicht, zu ethischen und sozialen Fragen Stellung zu nehmen und einzuschreiten, wenn aus dem Raum der Kirche die Würde des Menschen verletzt wird, sagte Krämer dem Kölner Stadtanzeiger. Dies sei der Fall, wenn jemand den Holocaust leugne. "Denn er bestreitet ja nicht nur historische Tatsachen, sondern dahinter steht eine menschenverachtende Ideologie."

Unterdessen kündigte die katholische Kirche den dritten Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland an. Anlass für den offiziellen Staatsbesuch in Berlin im kommenden Jahr seien die Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, im ZDF. "Ich gehe davon aus, dass es im nächsten Jahr einen Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland geben wird, einen offiziellen Staatsbesuch in Berlin und, ich hoffe, auch bei uns in Freiburg."

Lädiertes Vertrauensverhältnis

Im Gespräch sollen laut ZDF die Orte Erfurt, die Wartburg in Eisenach sowie das katholische Eichsfeld sein. Es wäre nach 2005 und 2006 der dritte Besuch des deutschen Papstes in seiner Heimat.

Der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, hofft, dass dieser Besuch das Verhältnis der deutschen Katholiken zum Papst verbessert. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken sei "ein wenig lädiert", sagte der Vatikan-Kenner der Passauer Neuen Presse. Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise ändern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen Rom und den Papst nicht mehr verstehen", sagte von Gemmingen.

Auf der nächsten Seite: Die Zustimmung für den Papst in der deutschen Bevölkerung bröckelt.

"Pius-Brüder wollen einen katholischen Gottesstaat"

Zahlreiche Kirchenaustritte

In der Tat scheint in deutschen Bevölkerung die Zustimmung für den Papst zu bröckeln. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD-"Tagesthemen" zeigten sich nur noch 42 Prozent der Bundesbürger mit seiner Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden. Bei Benedikts Amtsantritt vor fast vier Jahren hatten noch fast zwei Drittel der Deutschen von einer guten Wahl gesprochen.

Darüber hinaus sieht sich die katholische Kirche nach dem Skandal mit zahlreichen Austritten konfrontiert. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", bestätigte Pater Eberhard von Gemmingen. Austreten könne man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "In anderen Ländern ist dies gar nicht möglich, weil die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann", sagte von Gemmingen.

Dialog zwischen Zentralrat der Juden und Bischofskonferenz

Die Entscheidung des Papstes, die Exkommunikation von Williamson und drei weiteren Bischöfen der Bruderschaft aufzuheben, war weltweit auf großes Unverständnis gestoßen. Unter anderem hatte der Zentralrat der Juden in Deutschland den Vatikan heftig kritisiert. Am Freitag kündigte der jüdische Dachverband ein Treffen mit der Deutschen Bischofskonferenz "in nicht zu ferner Zukunft" an.

Die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, und Zollitsch wollen sich zum persönlichen Austausch treffen, hieß es in Berlin. Die Differenzen um die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe bestünden zwischen dem Zentralrat und dem Vatikan und nicht mit der Bischofskonferenz. Es bleibe offen, ob der nationale Dialog zu Fortschritten im Verhältnis zum Vatikan führen könne.

Pius-Bruderschaft schließt Priester aus

Unterdessen zeigt sich offenbar auch die Pius-Bruderschaft selbst von der Diskussion beeindruckt: In Italien hat sie laut Medienberichten einen Priester nach dessen zweifelnden Äußerungen zum Ausmaß des Holocaust ausgeschlossen. Der Ausschluss von Floriano Abrahamowicz solle verhindern, dass ihr Image verzerrt werde, erklärte die Bruderschaft am Freitag nach Berichten der italienischen Nachrichtenagenturen ANSA und Apcom.

Abrahamowicz habe wiederholt Ansichten geäußert, die nicht der offiziellen Haltung der Bruderschaft entsprächen, zitierten die Berichte aus der Erklärung. Der Priester hatte unter anderem am Ausmaß des Holocaust gezweifelt und sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil gestellt. Er hatte auch den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson in Schutz genommen.

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