Süddeutsche Zeitung

Streit um Betreuungsgeld:Auf Kosten der Ärmsten

Nach wochenlangem Streit wird der Koalitionsfrieden zu Lasten von Hartz-IV-Empfängern und deren Kindern hergestellt. Aber denen nichts zu geben, die es brauchen könnten, behebt nicht den wirklichen Fehler des Betreuungsgeldes: dass es zu vielen gegeben wird, die es gar nicht brauchen.

Nico Fried

Eine Hartz-IV-Empfängerin mit einem kleinen Kind wird nicht vom schwarz-gelben Betreuungsgeld profitieren. Dafür, so wird die schwarz-gelbe Koalition argumentieren, gibt es zwei logische Gründe: Erstens soll Hartz IV das Existenzminimum sichern und zum Arbeiten anreizen - nicht aber zum Kinderkriegen. Zweitens übernimmt der Staat ab der Geburt des Kindes in einer Hartz-IV-Familie ohnehin eine zusätzliche Sozialleistung in Form des eigenen Hartz-IV-Satzes für den Nachwuchs.

Das alles hat seine Richtigkeit. Und trotzdem wird die Koalition für ihren Kompromiss zum Betreuungsgeld einen Sturm der Empörung ernten, den sie sich redlich verdient hat. Nach wochenlangem Streit wird der schwarz-gelbe Frieden nun auf Kosten der Ärmsten und ihrer Kinder hergestellt - so wird der Vorwurf lauten, und er ist nicht falsch.

Denn wenn die Lösung darin besteht, dass man den Hartz-IV-Empfängern nichts gibt, dann war es bisher ja offenbar vorstellbar, dass man ihnen etwas gibt. Der Verweis darauf, dass sie auch kein Elterngeld bekommen, stimmt zwar; aber er stimmt auch erst, seitdem den Hartz-IV-Empfängern im Sparpaket 2010 das Elterngeld gestrichen wurde.

Und noch etwas ist an dieser Lösung unerquicklich: Eine alleinerziehende junge Mutter im Hartz-IV-Bezug, die keine Arbeit und keinen Kita-Platz findet (oder umgekehrt), bekommt kein Betreuungsgeld. Die Ehefrau eines wohlhabenden Managers aber, die nicht arbeiten muss und ihr Kind zu Hause erzieht, bekommt Betreuungsgeld. Denen nichts zu geben, die es brauchen könnten, behebt nicht den wirklichen Fehler des Betreuungsgeldes: dass es zu vielen gegeben wird, die es gar nicht brauchen.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2012/gal
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